Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungen zur Teilnahme am Arbeitsleben. Eingliederungsprognose. Tanztherapeutin. Berufliche Ausbildung. Berufliche Weiterbildung. Förderung der beruflichen Eingliederung behinderter Menschen. Objektive Eignung für die in Aussicht genommene Tätigkeit. Psychische Belastbarkeit. Prognose. Beurteilungsspielraum. Ermessen

 

Orientierungssatz

1. Hat die gemäß § 97 Abs. 2 Satz 2 SGB III im BFW erfolgte Maßnahme der Berufsfindung und Arbeitserprobung ergeben, dass die Klägerin die für die Ausübung des angestrebten Berufs der Tanztherapeutin erforderliche psychische Belastbarkeit nicht in ausreichendem Maße besitzt und sie auch den unabdingbaren gehobenen theoretischen Anforderungen nicht gerecht wird, besteht kein Anspruch auf Förderung der begehrten Bildungsmaßnahme als berufliche Weiterbildung.

2. Auch eine Maßnahme nach § 97 Abs. 1 SGB III ist nur förderfähig, wenn der behinderte Mensch für diese objektiv geeignet ist, also über die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verfügt, so dass die Maßnahme voraussichtlich mit Erfolg abgeschlossen werden kann und zur beruflichen Eingliederung des behinderten Menschen führt. Dieser objektiven Eignung kommt Vorrang zu, auch wenn dies - wie hier - nicht immer den Wünschen des Betroffenen entspricht.

3. Mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen in Gestalt einer positiven Eingliederungsprognose für die begehrte Bildungsmaßnahme zur Tanztherapeutin hatte die Beklagte hierauf bezogen keine Ermessenserwägungen anzustellen, so dass auch kein Anspruch der Klägerin auf Neubescheidung ihres LTA-Antrags besteht.   

 

Normenkette

SGB III § 60 Abs. 2, § 77 Abs. 1 S. 1, § 97 Abs. 1; SGB VI §§ 9, 16; SGB IX § 14

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 1. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) für eine Aus- bzw. Weiterbildung zur Tanztherapeutin.

Die 1979 geborene Klägerin verfügt über einen qualifizierten Hauptschulabschluss. Von September 1996 bis September 1997 ließ sie sich mit Erfolg zur Krankenpflegehelferin ausbilden und war - unterbrochen von Zeiten der Arbeitslosigkeit - als Krankenpflegehelferin beschäftigt. Von Oktober 2000 bis März 2003 absolvierte sie erfolgreich eine Berufsausbildung als Krankenschwester und war nach Zeiten der Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit vom 2. Januar 2004 bis 28. Februar 2005 in diesem Beruf tätig. Vom 1. März 2005 bis 31. Juli 2005 war sie arbeitslos. In der Zeit vom 1. August 2005 bis 31. Mai 2006 besuchte sie eine allgemeinbildende Schule zwecks Erlangung der Hochschulreife. Nachdem sie nach eigenen Angaben aus gesundheitlichen Gründen den Versuch zur Nachholung des Abiturs aufgegeben hatte, war sie vom 10. Juli 2006 bis 15. November 2006 erneut als Krankenschwester beschäftigt. Seit 16. November 2006 ist sie arbeitslos und bezog von diesem Tag an für letztlich 166 Tage Arbeitslosengeld (Alg). Vom 1. Oktober 2006 bis 30. November 2006 war die Klägerin ehrenamtlich in der psychiatrisch-psychotherapeutischen Tagesklinik des Behandlungszentrums für Folteropfer B (bzfo) tätig. Die Arbeitsamtsärztin G kam in einem für die Beklagte erstellten Gutachten vom 23. März 2007 zu dem Ergebnis, aufgrund eines chronischen Rückenleidens könne die Klägerin nicht weiterhin als Krankenschwester arbeiten. Die Beklagte ließ daraufhin ein psychologisches Gutachten durch die Dipl.-Psychologin L erstellen, auf das Bezug genommen wird. Die Gutachterin L kam zu dem Ergebnis, dass aufgrund der im durchschnittlichen Bereich angesiedelten intellektuellen Leistungsmöglichkeiten der Klägerin nicht zweifelsfrei auf das Vorliegen der fähigkeitsbezogenen Mindesteignungsvoraussetzungen für die von der Klägerin favorisierte Ausbildung zur Tanztherapeutin geschlossen werden könne.

Die Klägerin, die seit 1. Juli 2007 im Bezug von Alg II steht, beantragte im Mai 2007 bei der Beklagten, ihr Leistungen zur LTA zu gewähren und gab dabei an, seit 1998 unter chronischen Schmerzen im Lendenwirbelbereich zu leiden. Ihre zum Teil schwere körperliche Arbeit als Krankenschwester führe zu Bandscheibenvorfällen. Mit am 19. Juni 2007 eingegangenen Schreiben wies sie darauf hin, dass die von ihr angestrebte Ausbildung zur Tanztherapeutin in Kombination mit Heilpraktikerin/Psychotherapeutin auf ihrer bisherigen Ausbildung und ihrer Tätigkeit als Krankenschwester aufbaue.

Die Beklagte meldete die Klägerin für eine vom 22. Oktober 2007 bis 2. November 2007 dauernde Maßnahme “Berufsfindung und Arbeitserprobung„ bei dem Berufsförderungswerk B (BFW) an. Nach dem mit einer sozialmedizinischen Beurteilung vom 7. Oktober 2007 verbundenen Kurzbericht des BFW vom 30. November 2007 brach die Klägerin diese Maßnahme nach dem ersten Tag ab. Sozialmedizinisch seien “keine direkten Einwände„ gegen das Berufsziel “Tanztherapeutin„ zu...

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