Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung bei Erwerbsminderung. kostenloses Mittagessen in einer Werkstatt für behinderte Menschen. abweichende Festlegung des Regelsatzes. Einkommenseinsatz. Freibetrag gem § 82 Abs 3 SGB 12. Absetzung gem § 82 Abs 2 Nr 5 SGB 12

 

Orientierungssatz

1. Erhalten Leistungsberechtigte nach den §§ 41ff SGB 12 einen Teil ihrer Ernährung anderweitig (hier kostenlos in der Werkstatt für behinderte Menschen zur Verfügung gestelltes Mittagessen), ist der Sozialhilfeträger befugt, die dem Leistungsempfänger gewährte Grundsicherung insofern durch abweichende Festlegung der Regelsätze zu kürzen.

2. Zur Berechnung des abweichenden Bedarfs gem § 28 Abs 1 S 2 SGB 12 aufgrund des kostenlos in der Werkstatt für behinderte Menschen zur Verfügung gestellten Mittagessens.

3. Bei dem Absetzungsbetrag wegen selbständiger oder nichtselbständiger Tätigkeit nach § 82 Abs 3 SGB 12 ist von dem Bruttobetrag des damit erworbenen Einkommens auszugehen.

4. Regelmäßig ist von einer Erhöhung der Arbeitsentgelte aufgrund einer Vereinbarung zwischen Rehabilitationsträger und Werkstatt iS von § 43 S 4 SGB 9 nur dann auszugehen, wenn dieser Betrag ausdrücklich als "Stützungsbetrag für das Arbeitsentgelt" oder ähnlich benannt worden ist.

5. Die Bestimmung des § 82 Abs 2 Nr 5 SGB 12, dass auch Erhöhungsbeträge des Arbeitsentgelts iS des § 43 S 4 SGB 9 vom Einkommen abzusetzen sind, regelt ausschließlich den Fall, dass das Arbeitsförderungsgeld vom Rehabilitationsträger aufgrund von Vereinbarungen mit der Werkstatt nur gekürzt gezahlt wurde.

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 30. September 2005 und die Bescheide des Beklagten vom 27. Dezember 2004 und 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. März 2005 und der Bescheid vom 24. Mai 2005 werden geändert.

Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Leistungen der Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 30. April 2005 in Höhe von monatlich 375,70 € und für die Zeit vom 1. Mai 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von 367,59 € monatlich abzüglich der bereits geleisteten Zahlungen zu gewähren.

Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt ein Fünftel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung von höheren Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII.

Die 1981 geborene Klägerin ist seelisch behindert und seit Februar 2003 in der anerkannten Werkstatt für Behinderte der L K P e. V., P Werkstätten, beschäftigt. Der Arbeitslohn aus der Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM), der für die Monate Dezember 2004 bis März 2005 jeweils 101,40 € und für die Monate April und Mai 2005 jeweils 112,20 € betrug und sich aus einem Grundlohn von 67,00 €, einem Steigerungsbetrag von 8,40 € bzw. 19,20 € (Monate April und Mai) und einem Arbeitsförderungsgeld (AFÖG) von 26,00 € zusammensetzte, wurde der Klägerin jeweils zu Beginn des Folgemonats auf ihr Konto überwiesen. Von der Werkstatt wurden der Klägerin gemäß § 2 Abs. 4 des Werkstattvertrags eine kostenfreie Beförderung und die Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung (Mittagessen) gewährt. Sie bezog von dem Beklagten seit Februar 2003 Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz - GSiG -. Seit November 2004 bewohnt sie allein eine Wohnung in der Pstraße in W, für die eine vertragliche Miete in Höhe von 174,00 € zzgl. Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 37,60 € und Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 30,00 € geschuldet werden. Das Kindergeld wurde der Klägerin auf ihr Konto überwiesen.

Im November 2004 stellte die Klägerin einen Antrag auf Weitergewährung der Grundsicherungsleistungen ab 01. Januar 2005. Mit Bescheid vom 27. Dezember 2004 gewährte ihr der Beklagte Leistungen nach dem SGB XII - Viertes Kapitel, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung - für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 in Höhe von monatlich 360,59 €. Für das kostenlose Mittagessen in der WfbM nahm er bei der Bedarfsfeststellung einen monatlichen Abzug von 44,00 € (20 Arbeitstage x 2,20 €) vor. Bei der Berechnung des zur Bedarfsdeckung einzusetzenden Einkommens bereinigte er das Einkommen der Klägerin aus der WfbM um Beträge für Arbeitsmittel (5,20 €) und Arbeitsförderungsgeld (26,00 €) und zog einen vom bereinigten Einkommen berechneten Selbstbehalt bei WfbM-Einkommen in Höhe von 49,88 € sowie die von der Klägerin gezahlten Beiträge für die Haftpflicht- und Hausratversicherung (zusammen 11,71 €) ab.

Die Klägerin legte Widerspruch ein, den sie damit begründete, dass es sich bei dem kostenfrei eingenommenen Mittagessen nicht um Einkünfte in Geld oder Geldeswert, sondern um eine Sozialleistung handele, die nicht angerechnet werden dürfe. Ferner sei das Kindergeld nicht als Einkommen anzurechnen und sei die Einkommensberechnung nicht nachvollziehbar. Der Selbstbehalt sei...

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