Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Voraussetzung der Verhängung einer Mißbrauchsgebühr bei Festhalten an einem unstatthaften Rechtsmittel. Zulässigkeit der Auferlegung einer Mißbrauchsgebühr auf einen Prozeßbevollmächtigten. Ermittlung der Höhe einer Mißbrauchsgebühr
Orientierungssatz
1. Verschuldenskosten nach § 192 SGG können auch dem Prozessbevollmächtigten einer Partei auferlegt werden, vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteile vom 08. Mai 2008 - L 8 RA 8/04 sowie L 8 RA 94/04, ferner LSG Celle-Bremen, Beschluss vom 26. August 2010 - L 8 SO 159/10.
2. Führt ein Rechtsanwalt für eine Partei aber erkennbar im eigenen gebührenrechtlichen Interesse ein Rechtsmittelverfahren fort (hier: Berufung), obgleich er selbst von dessen Unstatthaftigkeit ausgeht, er zudem mehrfach auf diese Unstatthaftigkeit und die Möglichkeit der Auferlegung von Kosten gemäß § 192 SGG hingewiesen wurde, so ist es zulässig, dem Rechtsanwalt die Verschuldenskosten aufzuerlegen.
3. Der in § 192 SGG geregelten Mißbrauchsgebühr kommt ein schadensersatzähnlicher Charakter zu, mit dem der Vorteil des kostenfreien sozialgerichtlichen Verfahrens entfallen und die tatsächlichen Kosten für die Bearbeitung des Rechtsstreits auferlegt werden sollen. Dies umfasst neben den Kosten sämtlicher befasster Richter und Mitarbeiter auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten.
4. Einzelfall zur Bestimmung der Höhe einer Mißbrauchsgebühr gemäß § 192 SGG.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 2. Mai 2011 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Dem Prozessbevollmächtigten des Klägers werden Kosten nach § 192 SGG in Höhe von 650 € auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen bestandskräftige Bescheide des Beklagten.
Der 19xx geborene Kläger bezog bis zum 27. August 2008 Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit. Am 26. August 2008 beantragte er bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), die antragsgemäß gewährt wurden.
Mit Schriftsatz vom 12. Juli 2010 bestellte sich der Prozessbevollmächtigte für den Kläger und beantragte bei dem Beklagten die Überprüfung “sämtlicher bestandskräftiger Bescheide über Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II seit dem 1. Januar 2006 auf inhaltliche Richtigkeit„. Auf die Bitte der Beklagten um Benennung der zu überprüfenden Bescheide teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 29. Juli 2010 lediglich mit, er bitte um “Überprüfung sämtlicher Bescheide bezüglich Grundsicherung nach dem SGB II seit dem 1. Januar 2006 auf inhaltliche Richtigkeit und insbesondere Rechtmäßigkeit„.
Mit Bescheid vom 25. August 2010 berief sich der Beklagte auf die Bindungswirkung der Bescheide. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 31. August 2010 ebenfalls ohne Begründung Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2010 als unbegründet zurückwies. Der Kläger beziehe seit 2008 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der Kläger habe nichts vorgebracht, was für eine Unrechtmäßigkeit der ergangenen Bescheide sprechen könnte. Eine Rechtswidrigkeit der Bewilligungsbescheide sei nicht erkennbar, so dass sich zu Recht auf die Bindungswirkung der Bescheide berufen worden sei.
Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 26. Oktober 2010 Klage bei dem Sozialgericht Cottbus erhoben; diese Klage hat er nicht begründet und auch keinen konkreten Antrag gestellt oder einen solchen zumindest angekündigt.
Das Sozialgericht hat dem Vortrag des Klägers den sinngemäßen Antrag entnommen,
sämtliche bestandskräftige Bescheide über die Leistungen zur Grundsicherung seit dem 1. Januar 2006 hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit überprüfen.
Der Beklagte hat sinngemäß beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Sozialgericht Cottbus hat nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2011 abgewiesen. Für die Jahre 2006 und 2007 könne eine Überprüfung bereits deshalb nicht erfolgen, weil der Kläger damals noch gar nicht im Leistungsbezug bei dem Beklagten gestanden habe. Bei den Bescheiden seit 2008 habe sich der Beklagte zu Recht auf deren Bestandskraft berufen, da Zweifel an deren Rechtmäßigkeit schon mangels konkreten Vortrags nicht aufkommen würden. “Ins Blaue hinein„ seien weder eine Überprüfung von Amts wegen noch entsprechende Ermittlungen durchzuführen. Dieser Gerichtsbescheid enthält in der Rechtsmittelbelehrung den Hinweis, dass innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg gegen die Entscheidung Berufung eingelegt werden kann.
Ausweislich des Empfangsbekenntnisses ist der Gerichtsbescheid vom 2. Mai 2011 dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 13. Mai 2011 z...