Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. MDK. keine Aufwandspauschale bei Stichprobenprüfung. Erforderlichkeit einer Schlussrechnung. Notwendigkeit einer den formellen gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entsprechenden Zwischenrechnung

 

Orientierungssatz

1. Die Durchführung einer die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 auslösenden Prüfung ist nicht schon bei jeglicher Rückfrage der Krankenkasse beim Krankenhaus im Zusammenhang mit dessen Abrechnung anzunehmen. Vielmehr muss es sich um eine Prüfung aus einem der in § 275 Abs 1 Nr 1 iVm Abs 1c S 1 SGB 5 genannten Anlässe und darf sich damit nicht um eine Stichprobenprüfung nach § 17c Abs 2 KHG handeln. Auch muss die Krankenkasse den MDK gezielt beauftragt haben, eine gutachtliche Stellungnahme abzugeben, mit dem Ziel, in Verfolgung des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Verminderung der Vergütung zu gelangen, dh eine Verminderung des (möglicherweise) vom Krankenhaus zu hoch angesetzten Abrechnungsbetrages zu erreichen.

2. Voraussetzung für einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale ist eine Schlussrechnung.

3. Nur eine formell rechtmäßige, dh insbesondere den formellen gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entsprechende Zwischenrechnung kann die Prüfungspflicht nach § 275 Abs 1c S 2 SGB 5 und - bei fehlender Minderung des Abrechnungsbetrages - auch den Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale auslösen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 22.11.2012; Aktenzeichen B 3 KR 20/12 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Mai 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin von der Beklagten die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 100.- € verlangen kann.

Die bei der Beklagten versicherte Frau R H befand sich vom 7. Oktober 2007 bis 3. Januar 2008 in vollstationärer Behandlung auf der Abteilung Psychiatrie im Krankenhaus der Klägerin. Die Beklagte hatte zunächst eine Kostenzusage bis zum 27. Oktober 2007, dann bis zum 16. November 2007 und anschließend bis zum 30. November 2007 abgegeben. Nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 eine weitere Verlängerung der Kostenübernahme für die Zeit ab dem 1. Dezember 2007 bei der Beklagten beantragt hatte, beauftragte diese am 21. Dezember 2007 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Frage, bis wann die weitere stationäre Behandlung medizinisch begründet und notwendig sei und welche Alternativen, ggf. ab wann, ausreichend und zweckmäßig seien. Zu diesem Zeitpunkt lagen lediglich Zwischenrechnungen der Klägerin vom 26. Oktober 2007 und 15. November 2007 für die Behandlung der Frau H im Zeitraum bis zum 15. November 2007 vor. Die Gesamtrechnung stellte die Klägerin am 3. Januar 2008 aus. Der MDK bat die Klägerin unter dem 10. Januar 2008 schriftlich um Zusendung aller zur Beantwortung der o.g. Krankenkassenfrage notwendigen Krankenunterlagen, insbesondere um Schilderung der bis zum 17. Dezember 2007 vorhandenen psychopathologischen Symptomatik sowie um Erläuterung der Schlussfolgerungen des Krankenhauses “für die Planung der Inhalte und der Dauer der notwendigen vollstationären psychiatrischen Behandlung.„ Mit Gutachten vom 9. Mai 2008 teilte der MDK mit, dass er die vollstationäre Behandlungsdauer bis zum 3. Januar 2008 als alternativlos notwendig befürworte.

Mit Rechnung vom 14. Mai 2008 machte die Klägerin die Aufwandspauschale in Höhe von 100.- € gem. § 275 Abs. 1 c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geltend. Mit Schreiben vom 23. Mai 2008 lehnte die Beklagte die Zahlung der Aufwandspauschale ab. Sie vertrat die Auffassung, dass eine Aufwandspauschale in diesem Fall nicht berechnet werden könne. Die Aufwandspauschale für Krankenhausfälle sei nur zu zahlen, in denen es nicht zur Minderung des Abrechnungsbetrages kommt. Somit müsse der Behandlungsfall als Ganzes mit der Gesamtrechnung betrachtet werden.

Mit der vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Anliegen weiterverfolgt und hierzu vorgetragen, dass die Beklagte gem. § 275 Abs. 1 c SGB V zur Zahlung der Aufwandspauschale verpflichtet sei, da die Prüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages geführt habe.

Mit Urteil vom 27. Mai 2009 hat das Sozialgericht Berlin unter Zulassung der Berufung die Beklagte verurteilt, an die Klägerin die Aufwandspauschale i.H.v. 100.- € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26. Juni 2008 zu zahlen. Das Sozialgericht hat im Wesentlichen ausgeführt: es sei unerheblich, dass im Entscheidungsfall zum Zeitpunkt der Prüfung durch den MDK noch keine (Schluss-)Rechnung gestellt worden sei. Das Vorliegen einer Rechnung zum Zeitpunkt der Einleitung der Prüfung sei keine Tatbestandsvorrausetzung des § 275 Abs. 1 c SGB V. Auch aus der Syst...

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