Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des LSG Berlin-Potsdam vom 30.4.2014 - L 7 KA 154/11, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. Oktober 2011 sowie der Bescheid der Beklagten vom 14. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2009 geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 16. Dezember 2008 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu drei Fünftel und der Kläger zu zwei Fünftel. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt ein höheres Regelleistungsvolumen (RLV) für das Quartal I/09 unter dem Aspekt von Praxisbesonderheiten.
Der Kläger nimmt als Facharzt für Neurochirurgie seit Mai 1999 im B Bezirk W an der vertragsärztlichen Versorgung teil, bis zum Quartal IV/05 im Rahmen einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis mit zwei weiteren Vertragsärzten. Seit dem 4. März 2009 ist er berechtigt, schmerztherapeutische Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) 99301 und 99303 des einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) abzurechnen. Der Anteil der vom Kläger erbrachten schmerztherapeutischen Leistungen nach den GOP 30724, 30731 und 30760 betrug in den Quartalen I/08 bis IV/08 zwischen 30,22 % und 34,62 %.
Die Beklagte wies dem Kläger das RLV für das Quartal I/2009 nach folgender Berechnung zu (Bescheid vom 11. Dezember 2008; das Widerspruchsverfahren ruht):
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I/2009 |
arztindividuelle Fallzahl |
251 |
Fallwert der Arztgruppe in € |
43,95 |
durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe |
567 |
Morbiditätsfaktor |
1,0039 |
arztindividuelles RLV in € |
11.074,47 |
Am 16. Dezember 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten ein erhöhtes RLV, weil er eine hoch spezialisierte Facharztpraxis betreibe, die ausschließlich hochwertige, nichtoperative Leistungen, besonders im Bereich intensiver Beratung, komplexer diagnostischer Abklärung und Beurteilung, sowie individuell angepasster minimal-invasiver Behandlung umfasse. Die überwiegende Mehrzahl der Patienten sei entweder polymorbide und/der teilweise mehrfach voroperiert, weise komplexe Veränderungen an mehreren Wirbelsäulenabschnitten auf und/oder sei chronischer Schmerzpatient, was einen hohen diagnostischen und auch verlaufsdiagnostischen Aufwand sowie intensive Beratungsleistungen mit zahlreichen Arzt-Patienten-Kontakten erfordere und zu einer hochspezialisierten differenzierten Schmerztherapie führe. Es erfolgten keine abrechenbaren Leistungen außerhalb des RLV, insbesondere auch keine ambulanten oder belegärztlichen Operationen. Daher beantrage er, einen Fallwert von mindestens 85,- € zu generieren.
Diesem Antrag gab die Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2009 teilweise statt. Der arztindividuelle RLV-relevante Fallwert des Klägers aus dem Quartal I/08 überschreite den RLV-Fallwert der Arztgruppe der Neurochirurgen 74,81 %. Es habe aber auch die Fallzahlentwicklung seiner Praxis des Quartals I/08 im Vergleich zu den letzten vier Quartalen vor Einführung der Individualbudgetierung (III/02 bis II/03) betrachtet werden müssen. Wegen des hier zu verzeichnenden Fallzahlrückgangs von 14,55 % reduziere sich die Fallwert-Differenz auf 30,26 %. Im diesem Umfang werde der Fallwert auf 57,25 € erhöht.
Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2009 zurück und führte zur Begründung aus: Nach dem Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses (EBewA) vom 27./28. August 2008 seien Praxisbesonderheiten - soweit es das Quartal I/09 betreffe - erst ab einem Umfang von 30 % Fallwertüberschreitung anerkennungsfähig. Die vorgenommene Berechnung zur Anhebung des RLV des Klägers sei nicht zu beanstanden. Der im angefochtenen Bescheid vorgenommene Fallzahlvergleich diene dem Ziel zu überprüfen, ob die geltend gemachte Praxisbesonderheit auch kausal für eine eventuelle Erhöhung des Fallwerts gegenüber der Fachgruppe sei. Fallwertveränderungen könnten verschiedene Ursachen haben, u.a. eine gezielte Fallzahlsteuerung im Zusammenhang mit der Einführung der Individualbudgets (IB). Schmerztherapeutische Leistungen nach den GOP 99301 und 99303 würden extrabudgetär vergütet.
Für das Quartal I/09 wurde dem Kläger Honorar i.H.v. 16.732,27 € gutgeschrieben, davon 16.546,50 € für RLV-relevante Leistungen. Auch das diesbezügliche Widerspruchsverfahren ruht.
Mit Urteil vom 19. Oktober 2011 hat das Sozialgericht die Bescheide vom 14. April 2009 und 15. Dezember 2009 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Anerkennung von Praxisbesonderheiten für das Quartal I/09 unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut zu entscheiden; im Übr...