Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflegungsgeld als Arbeitsentgelt
Orientierungssatz
1. Aus dem Wort “erzielt„ in § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 S. 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem “aufgrund„ seiner Beschäftigung “zugeflossen„, ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. Es muss sich um eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung handeln.
2. Trotz der Bezugnahme auf den “Verdienst„ mit dem Klammerzusatz “§ 256 a Abs. 2 SGB VI„ (juris: SGB 6) in § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG ist das berücksichtigungsfähige Entgelt im Rahmen des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG nicht nach den Regeln des § 256 a Abs. 2 SGB VI (juris: SGB 6) zu ermitteln.
3. Welche inhaltliche Bedeutung dem Begriff Arbeitsentgelt im Sinne des § 6 Abs. 1 S. 1 AAÜG zukommt, bestimmt sich allein nach § 14 SGB IV (juris: SGB 4).
4. Die Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der DDR bezweckten, ihre Mitglieder besserzustellen. Diese Sonderstellung, soweit durch den Einigungsvertrag geschützt, ließ sich nur dadurch in der bundesdeutschen Rentenversicherung erfassen, dass die Möglichkeit eröffnet wurde, ggf. auch höhere Verdienste zur Ermittlung des fiktiven Vorleistungswerts einzustellen, als sie aufgrund der Mitgliedschaft in der Sozialpflichtversicherung der DDR und ggf. der FZR hätten berücksichtigt werden können.
5. Von der Deutschen Grenzpolizei gezahltes Verpflegungsgeld wird von § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV (juris: SGB 4) erfasst.
6. Nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV (juris: SGB 4) ist es gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahme besteht und unter welcher Bezeichnung diese Einnahme geleistet wird. Da das Verpflegungsgeld im Zusammenhang mit der Beschäftigung gezahlt wurde, ist der erforderliche, aber auch ausreichende innere sachliche Zusammenhang gewahrt, um es als Einnahme anzusehen.
7. Verpflegungsgeld ist keine Aufwandsentschädigung und auch kein Zehrgeld.
8. Der Grundsatz der Parallelität von Steuer- und Beitragspflicht besteht nicht in der Weise, dass die Steuerfreiheit von Einnahmen zugleich die Beitragsfreiheit dieser Einnahmen und mithin ihre fehlende Rentenrelevanz zur Folge hätte.
9. Es gibt zudem keinen Grundsatz, der besagt, dass die Steuer- und Beitragsfreiheit von Einnahmen nach dem Recht der DDR zugleich dazu führt, dass diese Einnahmen rentenrechtlich nach Bundesrecht ohne Bedeutung sind.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Februar 2011 geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 02. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2009 verpflichtet, den Bescheid vom 30. Januar 1995 in der Fassung des Bescheides vom 15. April 1997 insoweit zurückzunehmen, als das gezahlte Verpflegungsgeld für 1957 mit insgesamt 409,20 Mark und für 1958 mit insgesamt 264,00 Mark als weiteres Arbeitsentgelt berücksichtigt wird.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Berücksichtigung des Geldwertes der Verpflegung, des Verpflegungsgeldes und des Geldwertes der Unterkunft als weiteres tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt.
Der im Januar 1931 geborene Kläger war vom 27. April 1949 bis 08. Mai 1958 zuletzt im Dienstgrad eines Hauptfeldwebels Angehöriger der Volkspolizei im Bereich Grenzbereitschaft bzw. der Deutschen Grenzpolizei.
Mit Bescheid vom 30. Januar 1995 stellte die Wehrbereichsverwaltung VII die Zeit vom 27. April 1952 bis 08. Mai 1958 als Zeit der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der Nationalen Volksarmee (SVA-NVA) und die während dieser Zeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte fest, wobei der Geldwert der Verpflegung, gezahltes Verpflegungsgeld und der Geldwert der Unterkunft unberücksichtigt blieben. Gleichzeitig wies sie für diese Zeit in der Spalte “Entgelt nach AAÜG„ für die Jahre 1953 und 1955 bis 08. Mai 1958 davon abweichende geringere Arbeitsentgelte aus.
Mit Bescheid vom 15. April 1997 änderte die Wehrbereichsverwaltung VII den Bescheid vom 30. Januar 1995 insoweit, als für einen Rentenanspruchszeitraum nach dem 31. Dezember 1996 die in der Spalte “Entgelt nach AAÜG„ ausgewiesenen Arbeitsentgelte nunmehr auch für die Jahre 1953 und 1955 bis 08. Mai 1958 den tatsächlich erzielten Arbeitsentgelten entsprachen.
Im Januar 2008 beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R die Überprüfung der berücksichtigten Arbeitsentgelte. Neben dem Arbeitsentgelt aus Dienstgrad, Dienststellung und Dienstalter seien auch seine Zuschläge und Abgeltungen als Arbeitsentgelt nach § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 02. Dezember 2008 lehnte die Wehrbereichsverwaltung Ost diesen Antrag ab. Das Urteil des BSG beziehe sich auf Angehör...