Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszeiten für abhängige Beschäftigung im DP-Lager. Glaubhaftmachung
Leitsatz (redaktionell)
1. Für die Glaubhaftmachung einer Beitragszeit ist nicht nur das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses glaubhaft zu machen. Es muss zudem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststehen, dass Beiträge für ein solches dem Grunde nach versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis tatsächlich auch gezahlt worden sind.
2. Entscheidend für eine Glaubhaftmachung der Beitragsabführung zur Rentenversicherung von den Grunde nach überwiegend wahrscheinlich gemachten Beschäftigungsverhältnissen in DP-Lagern ist, ob sich im Einzelfall ausreichende Anhaltspunkte für eine Beitragsabführung ergeben haben. Wesentlich für die Annahme von Beitragstreue ist, in welchem Lager die Beschäftigung stattgefunden hat und welche Erkenntnisse konkret für die Vorgehensweise in diesem Lager vorliegen.
3. Ausreichende Anhaltspunkte für eine einheitliche Vorgehensweise der Beitragsabführung bei Beschäftigten der UNRRA/IRO, beim American Jewish Joint Distribution Committee, bei der jüdischen Berufsausbildungsorganisation ORT und der Jewish Relief Unit bestehen nicht.
Normenkette
SGB VI § 286a; SGB X § 23 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
SG Berlin (Urteil vom 27.04.2000; Aktenzeichen S 9 RA 2433/96*2) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 2000 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist Anerkennung von Beitragszeiten streitig.
Der am 7. Januar 1926 in Poznan/Polen geborene Kläger ist als Jude Verfolgter des Nationalsozialismus. Nach Kriegsende kam er ins Bundesgebiet, wo er zunächst in dem Displaced Persons (DP)-Lager Leipheim (bei Neu-Ulm) und später in der Ludendorff kaserne in Neu-Ulm lebte. Ende 1948 wanderte er nach Israel aus, wo er seither israelischer Staatsbürger lebt. Er erhält von der Beklagten auf seinen Antrag vom 29. Dezember 1986 hin seit dem 1. Februar 1991 ein Altersruhegeld aus nachentrichteten freiwilligen Beiträgen (Bescheid vom 4. Dezember 1990).
Am 18. März 1994 machte der Kläger bei der Beklagten geltend, er habe seit August 1946 für die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) gearbeitet. Er habe im DP-Lager Leipheim als Messing Clerk begonnen und sei später in der Ludendorff kaserne Neu-Ulm tätig gewesen. Er legte dazu ein Zeugnis vom 8. Oktober 1948, ein Diplom über einen am 29. Januar 1947 absolvierten Kurs im UNRRA U.S. Zone Training Center, Bad Wiessee und einen Führerschein, ausgestellt am 25. November 1947 vor, in dem als Beruf “Buchhalter” angeben ist. Anfragen der Beklagten bei der AOK Ulm , dem Amt für Verteidigungslasten Kaiserslautern , der AOK Günzburg , der LVA Oberbayern und der AOK München blieben erfolglos. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Feststellung von Versicherungszeiten daraufhin ab (Bescheid vom 30. August 1994). Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte die Entschädigungsakte bei und fragte ergänzend bei den Landratsämtern Neu-Ulm und Günzburg und der AOK Neu-Ulm wegen der behaupteten Beitragszeiten an. Auch diese Ermittlungen blieben ohne Erfolg. Den Widerspruch wies die Beklagte daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 1996 zurück.
Im hiergegen beim Sozialgericht (SG) Berlin gerichteten Klageverfahren hat der Kläger in einer persönlichen Erklärung vom 6. Mai 1997 dargelegt, er habe dank seiner guten Sprachkenntnisse Anfang Juli 1946 eine Anstellung im DP-Lager Leipheim als Gehilfe in der Lagerverwaltung (Berechnung, Bestellung und Verteilung der Lebensmittel an die Insassen) gefunden. Nach etwa einem Monat habe sich ein amerikanischer Offizier an ihn gewandt und ihm den Posten im neu errichteten Lager in der Ludendorff kaserne angeboten. Er sei dort Leiter der Verpflegungsabteilung gewesen und habe die Aufgabe gehabt, die erforderlichen Mengen an Lebensmitteln zu berechnen, bei der Hauptverwaltung zu bestellen und die Verteilung zu organisieren. Bis zur Währungsreform habe er 1500,- Mark monatlich erhalten, danach seien es 250,- DM gewesen, daneben eine Zigaretten-Ration. Er hat sich auf eine schriftliche Zeugenerklärung des E… N… vom 6. Mai 1997 bezogen, der erklärt hatte, er sei als Gehilfe für den Kläger tätig gewesen. Er…, E… N…, habe aber nicht als Angestellter der UNRRA gegolten und daher kein Gehalt, sondern nur Verpflegung erhalten. Es ist die von der Beklagten im Widerspruchsverfahren angeforderte Auskunft des Internationalen Suchdienstes Arolsen eingegangen, wonach in den Unterlagen über den Kläger, die auf seinen damaligen Angaben beruhen, unter anderem erwähnt ist, dass er von 1946 bis 1948 als Messing Officer bei der UNRRA-IRO, Leipheim , Neu-Ulm für 150 RM tätig war. Für den 21. März 1948 ist ein Aufenthalt im DP-Lager Augsburg vermerkt. Das SG hat den Zeug...