Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld. Erstattungspflicht des Arbeitgebers. keine isolierte Feststellung durch Grundlagenbescheid. Befreiungstatbestand. Verminderung der Zahl der Arbeitnehmer. ausscheidender Arbeitnehmer. Anteil der über 56-Jährigen. Betriebsübergang
Orientierungssatz
1. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) ist nicht befugt, durch sogenannten Grundlagenbescheid isoliert die Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 128 AFG festzustellen (vgl BSG vom 17.12.1997 - 11 RAr 103/96 = SozR 3-4100 § 128 Nr 4).
2. Hieraus ergibt sich um Umkehrschluss, dass die BA ebenso wenig befugt ist, das Nichtbestehen der Erstattungspflicht festzustellen. Nach § 128 Abs 6 AFG iVm § 146 AFG entscheidet die BA über den Anspruch, nicht jedoch über das Vorliegen oder Fehlen von Leistungsvoraussetzungen. Ein Befreiungsantrag des Arbeitgebers - hier nach § 128 Abs 1 S 2 Nr 6 AFG - setzt das Bestehen einer Erstattungspflicht nach § 128 Abs 1 S 1 AFG voraus, über die eine Entscheidung der BA auch hinsichtlich der konkreten Höhe der Erstattungsforderung vorliegen muss.
3. Die Regelung des § 128 Abs 7 S 2 AFG beinhaltet eine Vorabentscheidung der BA bei vom Arbeitgeber geplanten Personalabbaumaßnahmen. Sie kommt für einen Nachvollzug bereits vollständig erfolgter Beendigung von Arbeitsverhältnissen nicht in Betracht (vgl LSG Celle vom 21.9.1999 - L 7 AL 72/99 = EzS 5/46).
4. Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse im Wege eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB auf einen anderen Arbeitgeber übergegangen sind, sind nicht als "ausscheidende Arbeitnehmer" iS von § 128 Abs 1 S 2 Nr 6 AFG anzusehen bzw mitzuzählen.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um eine Befreiung von der Erstattungspflicht nach § 128 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG).
Mit Schreiben vom 25. Januar 1996 beantragte die D, den Geschäftsbereich Netz Regionalbereich S von der Erstattungspflicht des Arbeitgebers nach § 128 AFG zu befreien, und zwar für 11 im Einzelnen genannte Arbeitnehmer. Der Regionalbereich Netz S wurde zum 1. Januar 1994 gebildet und stellte eine organisatorische Einheit dar, die für den Fahrweg und die Infrastrukturen in der Region S zuständig war. Mit Ablauf des Jahres 1995 wurde der Bereich Telekommunikation ausgegliedert. Die Mitarbeiter des Telekommunikationsdienstes wurden ab 1. Januar 1996 von dem neu gegründeten Unternehmen DGmbH & Co. KG (im Folgenden: DB K) nach § 613 a BGB übernommen. Die Ausgliederung des Telekommunikationsdienstes - so die Klägerin - sei zur Erhaltung der entsprechenden Arbeitsplätze erfolgt, da das Vorhalten eines eigenen Telekommunikationsdienstes für die DAG unwirtschaftlich gewesen sei. Die Gesamtzahl der am 1. Januar 1995 im Betrieb Regionalbereich Netz S beschäftigten Arbeitnehmer habe 175 betragen, davon 24, die zu diesem Zeitpunkt das 56. Lebensjahr vollendet hatten. Es habe im Kalenderjahr 18 Zugänge und 94 Abgänge gegeben, von letzteren 77 Ausgliederungen bzw. Übernahmen ab 1. Januar 1996 in das neugegründete Unternehmen D, und 17 aus anderen Gründen im Laufe des Kalenderjahres 1995 ausgeschiedene Arbeitnehmer. Der Anteil der älteren Arbeitnehmer, die am 1. Januar 1995 das 56. Lebensjahr vollendet hatten, habe bei den 77 Ausgegliederten 8 betragen, bei den aus anderen Gründen 17 Ausgeschiedenen 11. Die Klägerin meint, die Voraussetzungen des § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AFG zur Befreiung von der Erstattungspflicht lägen im Hinblick auf die zuletzt genannten 11 Arbeitnehmer vor.
Mit Bescheid vom 23. Mai 1996 lehnte das Arbeitsamt Stuttgart den Antrag auf Befreiung von der Erstattungspflicht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AFG für 1995 ab, da bei 17 Personalabgängen und 18 Personaleinstellungen eine entsprechende Reduzierung nicht vorgelegen habe. Die 77 Mitarbeiter, die mit Ablauf des 31. Dezember 1995 von der D übernommen worden seien, seien nicht als Austritte zu zählen, denn tatsächlich habe insoweit ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB vorgelegen; es habe lediglich ein Wechsel in der Personalverantwortung ohne wesentliche Veränderungen z.B. hinsichtlich des Arbeitsortes und der Arbeitsaufgabe vorgelegen. Da § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 AFG auf das Ausscheiden der Arbeitnehmer aus dem Betrieb abstelle, könnten Betriebsübergänge im Sinne des § 613 a BGB weder im Rahmen der Personalverminderung noch bei der Feststellung des Anteils der ausscheidenden älteren Arbeitnehmer berücksichtigt werden.
Hiergegen legte die Antragstellerin am 11. November 1996 Widerspruch ein mit der Begründung, der Regionalbereich Netz S sei ein anderer Betrieb als die Niederlassung S der D und von dieser organisatorisch unabhängig. Jeder der beiden Betriebe habe eine eigene Leitung mit eigener Personalkompetenz und eigenem Betriebsrat sowie einen eigenen Tarifvertrag. Der Wechsel der Personalverantwortung sei bezeichnend für einen Wechsel des Betriebes; dass die Niederlassung der D bis zu einem Umzug Mitte 1996 vorübergehend die bisherigen Geschäftsräume bei ...