Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsminderungsrente. Rentenabschlag vor Vollendung des 60. Lebensjahres. Bewertung der Zeiten der beruflichen Ausbildung durch das WFG. alleinige Tragung des aus der Rente zu bemessenden Pflegeversicherungsbeitrags von dem Rentenbezieher. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Erwerbsminderungsrentner, die bei Rentenbeginn das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, unterliegen Rentenabschlägen erst ab Vollendung des 60. Lebensjahres (Anschluss an BSG vom 16.5.2006 - B 4 RA 22/05 R = SozR 4-2600 § 77 Nr 3).
2. Die ab 1.1.1997 geltende Regelung über die Bewertung von Zeiten der beruflichen Ausbildung nach § 58 Abs 1 S 1 Nr 4 a, S 2 SGB 6 ist hinsichtlich Versicherter, die bei Inkrafttreten der Neuregelung noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, nicht verfassungswidrig.
3. Die am 1.7.2005 in Kraft getretene Neuregelung des § 59 Abs 1 SGB 11, wonach Rentner die Versicherungsbeiträge zur Sozialen Pflegeversicherung allein zu tragen haben, ist nicht verfassungswidrig.
Orientierungssatz
1. Zu Leitsatz 3: vgl BSG vom 29.11.2006 - B 12 RJ 4/05 R und BSG vom 29.11.2006 - B 12 R 5/06 R).
2. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG Saarbrücken wirkungslos.
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der dem Kläger ab 01.10.2002 gewährten befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung
a) nach der seit dem 01.01.1997 geltenden Gesetzeslage die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für Zeiten einer versicherten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gem. § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4a und S. 2 SGB VI als beitragsgeminderte Zeiten gelten,
b) der Kläger ab dem 01.04.2004 den vollen Beitrag zur Pflegeversicherung zahlen muss,
c) ein Rentenabschlag wegen “vorzeitigen Rentenbezugs" vorzunehmen ist.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger durch Bescheid vom 19.05.2004 ab 01.10.2002 bis zum 31.12.2004 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung wobei sich der Zahlbetrag ab 01.07.2004 auf monatlich 844,22 € belief.
Gegen den Rentenbescheid erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, dass nach der ab 01.01.1997 geltenden Gesetzeslage die ersten 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen für Zeiten einer versicherten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit als beitragsgeminderte Zeiten gelten würden, sei verfassungswidrig. Im Übrigen sei auch die ab 01.04.2004 geltende Regelung über die Versicherungspflicht der Rentner in der gesetzlichen Pflegeversicherung verfassungswidrig.
Den Widerspruch des Klägers gegen diesen Bescheid wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 19.08.2005 zurück. In ihrer Begründung führte die Beklagte aus, für Zeiten des Rentenbezugs ab 01.04.2004 sei der Beitrag zur Pflegeversicherung aus der Rente nach § 59 Abs. 1 SGB XI von den Rentnerinnen und Rentnern allein zu zahlen. Die Beklagte sei als Sozialleistungsträger verpflichtet, die geltenden Gesetze zu beachten und auszuführen. In dem angefochtenen Bescheid seien die Vorschriften zutreffend angewandt worden. Soweit der 4. Senat des BSG in allen Fällen, in denen Versicherte bei Inkrafttreten des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 25.09.96 (WFG) das 55 Lebensjahr vollendet und die erforderliche Wartezeit erfüllt hätten (sog. Anwartschaftsrechtsinhaber auf Altersrente), § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 4a und S. 2 SGB VI für verfassungswidrig halte, sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger am X..X..19X. geboren und somit bei Inkrafttreten des WFG am 01.01.1997 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe. Bei ihm handele es sich somit nicht um einen Anwartschaftsrechtsinhaber wie jedoch vom 4. Senat des BSG für die Verfassungswidrigkeit der betreffenden Vorschrift vorausgesetzt worden sei.
Im anschließenden Klageverfahren hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) die Klage durch Gerichtsbescheid vom 03.04.2006 abgewiesen.
Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, der angefochtene Bescheid in Form des Widerspruchsbescheides sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Dass die Beklagte die im Zeitpunkt der Bewilligung für die Rentenberechnung maßgeblichen Vorschriften fehlerhaft angewandt habe, sei weder vom Kläger vorgetragen noch ansonsten für die Kammer ersichtlich. Der Kläger könne sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, diese Vorschriften seien verfassungswidrig.
Zwar seien die Vorschriften für die Berechnung der ersten Berufsjahre durch die Regelung des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes am 01.01.1997 abgeändert worden; die Neuregelung beinhalte eine Schlechterstellung gegenüber der vorherigen Rechtslage. Der Kläger könne sich jedoch nicht darauf berufen, dass der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) am 16.12.1999 in dem Verfahren B 4 RA 11/99 R entschieden habe, in der Verminderung der Besserstellung der ersten Berufsjahre mit Pflichtbeitragszeiten liege ein Verfahrensverstoß, und das ...