Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Begründetheit. Drittanfechtung. vertragsärztlicher Konkurrent. nephrologischer Versorgungsauftrag. Praxisverlegung. Eintritt. zweiter Arzt in Dialysepraxis. keine Überprüfung der Auslastung weiterer Praxen im Versorgungsbereich

 

Orientierungssatz

1. Zur Begründetheit von Drittanfechtungen vertragsärztlicher Konkurrenten.

2. Einem Arzt, dem bereits vor dem 1.7.2009 persönlich die Genehmigung zur Durchführung von Dialysebehandlungen in einem bestimmten Umfang erteilt war, drohen erhebliche wirtschaftliche Nachteile, wenn der erteilte Versorgungsauftrag lediglich infolge eines Standortwechsels der Praxis innerhalb des Versorgungsbezirks gänzlich und dauerhaft entfällt. Die Möglichkeit, weiter als Nephrologe ohne Dialyseberechtigung tätig zu sein, dürfte hierbei im Lichte des Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art 12 GG keine ausreichende Kompensation darstellen.

3. Für den Fall, dass ein zweiter Arzt wegen einer Patientenschaft von mehr als 30 kontinuierlich behandelten Dialysepatienten pro Jahr in eine Dialysepraxis eintritt, besteht keine Verpflichtung, die Auslastung der weiteren Praxen im Versorgungsbereich zu überprüfen (vgl BSG vom 17.8.2011 - B 6 KA 26/10 R = SozR 4-2500 § 101 Nr 11).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.03.2017; Aktenzeichen B 6 KA 18/16 R)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 12.06.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen zu 1) trägt die Klägerin.

Notwendige außergerichtliche Kosten der weiteren Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und für das erstinstanzliche Verfahren - insoweit unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts für das Saarland vom 27.06.2013 - wird auf 120.000,- Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich im Rahmen einer Konkurrentenklage gegen zwei der Beigeladenen zu 1) erteilte nephrologische Versorgungsaufträge nach der Anlage 9.1 BMV-Ä.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis vierer Ärzte mit Vertragsarztsitz in der T. Straße, S. Die Dres. D., Prof. M., G. sind fachärztlich tätige Internisten mit dem Schwerpunkt Nephrologie; Frau M.-S. ist praktische Ärztin.

Die Beigeladene zu 1) ist eine Gemeinschaftspraxis der Internisten mit dem Schwerpunkt Nephrologie Dres. H. und N. mit Vertragsarztsitz in S.-D., K. Straße.

Bis zum 31.12.2010 waren Dres. D., H. und M.-R. in der Praxis in der T. Straße, S., vertragsärztlich in gemeinsamer Berufsausübung tätig jeweils mit einem nephrologischen Versorgungsauftrag nach der Anlage 9.1 BMV-Ä.

Dr. H. war dieser erteilt worden mit Bescheid der Beklagten vom 10.04.2003 in eigener Dialysepraxis - Gemeinschaftspraxis Dres. med. M. D./A. H., T. Straße, S. bei im Einzelnen aufgeführten Patientengruppen. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass die Genehmigung an den derzeitigen Praxissitz gebunden sei und bei dem Ausscheiden aus der Dialysepraxis mit Datum der Beendigung der Niederlassung am Praxisort erlösche. Dr. M.-R. war der Versorgungsauftrag mit Bescheid der Beklagten vom 24.03.2009 in der Dialysepraxis T. Straße, S. in gemeinschaftlicher Berufsausübung mit den Dres. D. und H. sowie Frau M.-S. erteilt worden. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass die Genehmigung an den derzeitigen Praxissitz und an die Gemeinschaftspraxis gebunden sei und mit dem Datum der Beendigung der Niederlassung am Praxisort und/oder dem Ende der Gemeinschaftspraxis erlösche.

Die vertragsärztliche Tätigkeit der Dr. M.-R. in der Praxis T. Straße, S., endete zum 31.12.2010. Dr. D. und Frau M.-S. verblieben an- und fortdauernd in dieser Praxis. Dr. H. setzte seine Tätigkeit dort zunächst in Einzelpraxis mit eigener Betriebsstättennummer in den Räumlichkeiten der Praxis T. Straße, S., fort und teilte der Beklagten am 10.03.2011 mit, dass er seinen Vertragsarztsitz in eigene Räumlichkeiten am Krankenhaus St. J., K. Straße, S. verlegen wolle.

Hieraufhin erteilte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 01.04.2011 mit Wirkung zum gleichen Tag widerruflich die Genehmigung zur Übernahme eines besonderen Versorgungsauftrages in der Dialysepraxis K. Straße, S. Der Bescheid enthielt den Zusatz, dass die Genehmigung an den angegebenen Praxissitz gebunden sei und mit Datum der Beendigung der Niederlassung am Praxisort erlösche. Auf der Grundlage des Versorgungsauftrages könnten an der genannten Betriebsstätte maximal 30 Patienten mit Blutreinigungsverfahren behandelt werden.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.05.2011 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Beschluss vom 12.09.2011 als unbegründet zurückwies.

Hiergegen hat die Klägerin am 22.09.2011 im Verfahren S 2 KA 97/11 Klage zum Sozialgericht für das Saarland (SG) erhoben.

Durch Bescheid vom 15.03.2013 sicherte die Beklagte der Dialysepraxis Dr. H. die Genehmigung zur Übernahme eines...

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