Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Student. Überschreitung der Altersgrenze. Hinderungszeiten nach Vollendung des 30. Lebensjahres. keine Verlängerung der Versicherungspflicht
Leitsatz (amtlich)
Hinderungszeiten, die nach Vollendung des 30. Lebensjahres eintreten, bewirken keine Verlängerung der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Studenten, da sie die Überschreitung der Altersgrenze des § 5 Abs 1 Nr 9 SGB 5 nicht gerechtfertigt haben können (vgl BSG vom 30.9.1992 - 12 RK 3/91 = SozR 3-2500 § 5 Nr 8).
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 14.01.2011 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um das Ende der Versicherungspflicht des Klägers in der Krankenversicherung der Studenten (KVdS).
Der 1974 geborene Kläger besuchte von 1985 bis 1994 das Gymnasium und machte sein Abitur am 09.06.1994. Im selben Jahr nahm ein Studium der Rechtswissenschaften und der Psychologie auf, das er jedoch 1997 abbrach. Zum Wintersemester 1998/1999 nahm er ein Studium der Humanmedizin auf. In der Folgezeit erkrankte der Kläger an einer reaktiven Depression, welche erstmals Ende 2001/Anfang 2002 auftrat. Krankheitsbedingt beurlaubt war der Kläger im Sommersemester 2003, Wintersemester 2003/2004 sowie im Wintersemester 2004/2005; insgesamt erkannte die Beklagte 7 Semester Hinderungszeiten wegen der Erkrankung an.
Am 2006 ist der Kläger Vater geworden. Die Mutter seines Sohnes, mit der er nicht verheiratet ist, war seit November 2006 wieder berufstätig (3/4-Stelle). Ab November 2006 bis Anfang 2008 hatte er daher vormittags die Betreuung des Kindes übernommen, in dieser Zeit war ihm die Teilnahme an Lehrveranstaltungen nicht möglich gewesen.
Mit Schreiben vom 07.01.2008 und Bescheid vom 21.02.2008 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die studentische Pflichtversicherung zum 31.03.2008 ende.
Dagegen erhob der Kläger Widerspruch mit Hinweis auf die Kinderbetreuung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die nach Vollendung des 30. Lebensjahres verbrachten Hinderungszeiten könnten die Versicherungs-pflicht in der KVdS nicht verlängern, weil sie die Überschreitung der Altergrenze nicht gerechtfertigt haben könnten.
Auf die dagegen am 03.07.2008 erhobene Klage hin hat das Sozialgericht für das Saarland (SG) mit Urteil vom 14.10.2011 die Bescheide vom 07.01.2008 und 21.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2008 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Kläger nachträglich in der Zeit vom 01.04.2008 bis zum 31.01.2010 in der KVdS weiter zu versichern und dem Kläger die insofern zuviel entrichteten Beiträge zurückzuerstatten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zunächst sei festzuhalten, dass der Kläger zu Recht aus persönlichen Gründen - längere Krankheit - bereits über das Erreichen des 30. Lebensjahres von der Beklagten in der KVdS weiter versichert worden sei. Dieses Hinausschieben um 3 ½ Jahre sei aber nach Auffassung der Kammer nochmals verlängert worden durch die neu eingetretenen Umstände im familiären Bereich des Klägers. Die Beklagte habe hiergegen ohne Erfolg einzuwenden versucht, Zeiten der Berufstätigkeit (hier der Mutter) seien nicht als Hinderungszeiten anzuerkennen. Diese Ansicht werde zwar grundsätzlich von der Kammer geteilt; es gehe aber vorliegend nicht um die Gründe in der Person der Mutter, sondern um diejenigen in der Person des Vaters, also des Klägers. Dieser habe am Studienbetrieb unstreitig nicht ausreichend teilnehmen können, weil er den am 2006 geborenen Sohn betreut habe. Die Betreuung eines Kleinkindes werde aber selbst auch vom Spitzenverband der Krankenkassen für die Dauer des gesetzlichen Erziehungsurlaubs (6 Semester - vorliegend sei diese Dauer im geltend gemachten Zeitraum vom 01.04.2008 bis 31.01. 2010 nicht erreicht) als Grund für eine Verlängerung angesehen. Die Kammer wolle hier noch hinzufügen, dass gerade in einer Zeit, in der im Rahmen der Gleichstellungsbemühungen seitens der Politik und der Gesellschaft die Übernahme der Betreuung von Kleinkindern auch durch Väter (die Mütter seien dann im Regelfall berufstätig) im Interesse der Öffentlichkeit liege. Die Beklagte könne aber auch nicht damit gehört werden, dass nur solche Gründe zur Verlängerung führen könnten, die vor Vollendung des 30. Lebensjahres eingetreten seien. Diese Ansicht finde weder im Wortlaut noch im Sinn und Zweck der Begrenzung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) eine Stütze. Solange wie hier der Kläger berechtigterweise in der KVdS auch über das 30. Lebensjahr krankenversichert gewesen sei, solange könnten die Gründe des § 5 Abs. 1 Nr. 9 Hal...