Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Urteilsergänzung nach § 140 SGG. Verstreichen der Frist. Unzulässigkeit der Berufung. Anfechtungsklage. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Verweigerung ärztlicher bzw psychologischer Untersuchungen. Verletzung von Mitwirkungspflichten. Leistungsversagung nach § 66 SGB 1. Verhältnis zu anderen Sanktionsnormen
Leitsatz (amtlich)
1. Es spricht vieles dafür, das Urteilsergänzungsverfahren nach § 140 SGG bei versehentlich übergangenen Ansprüchen als einzige Möglichkeit anzusehen, um unerkannte oder verdeckte Teilurteile zu korrigieren bzw zu vervollständigen. Ein Rechtsmittel kann nur eingelegt werden, wenn das anzufechtende Urteil als inhaltlich falsch bewertet wird. Hat das Gericht jedoch über den geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise nicht entschieden, liegt eine Nichtentscheidung vor, die einer Berufung dem Grunde nach überhaupt nicht zugänglich ist. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Berufung gegen eine unterlassene Entscheidung fehlt, da eine dafür notwendige Beschwer nicht erkennbar ist. Mit dem Verstreichen der Frist für den Antrag auf Urteilsergänzung ist die Rechtshängigkeit des vom SG versehentlich übergangenen Anspruchs erloschen, so dass eine gegen das Urteil eingelegte Berufung, soweit sie diesen Anspruch betrifft, unzulässig ist.
2. In Fällen, in denen wegen Verletzung der in §§ 60 ff SGB I statuierten Mitwirkungspflichten eine beantragte Leistung - hier Alg II - gem § 66 SGB I versagt wird, ist grundsätzlich nur die reine Anfechtungsklage gegeben. Fordert das Jobcenter den Bezieher von Alg II gem § 59 SGB II iVm § 309 Abs 1 S 1 SGB III auf, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, und kommt der Leistungsbezieher dieser Aufforderung ohne wichtigen Grund nicht nach, kann das Jobcenter die Leistung auch gem §§ 62, 66 SGB I zumindest teilweise versagen; die Sanktionsnormen der §§ 31 Abs 2 Nr 4, 31a SGB II iVm §§ 159 Abs 1 S 2 Nr 6, 309 SGB III stellen keine die Anwendung der §§ 60 - 66 SGB I ausschließende Spezialregelung dar (Anschluss an BSG vom 14.5.2014 - B 11 AL 8/13 R = SozR 4-4300 § 309 Nr 2).
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 03.03.2017 wird, soweit sie den von den Klägern geltend gemachten Anspruch auf Leistung von Schadensersatz betrifft, als unzulässig verworfen; im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versagung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II und die Zahlung von Schmerzensgeld.
Die 1965 geborenen Kläger standen und stehen bei dem Beklagten im laufenden Bezug von Grundsicherungsleistungen nach den Bestimmungen des 2. Buches des Sozialgesetzbuchs Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Bei einer Begutachtung des Klägers A. (Im Folgenden: UK) am 24.01.2008 kam der Ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit Saarland zu dem Ergebnis, dass UK bei anhaltender somatoformer und posttraumatischer Belastungsstörung und belastungsabhängigen Schulterschmerzen links lediglich eingeschränkt körperlich und psychisch belastbar und für einen Zeitraum von voraussichtlich wenigstens 6 Monaten arbeitsunfähig sei. Es könnten nur Tätigkeiten von weniger als 3 Stunden täglich bzw. 15 Stunden wöchentlich verrichtet werden. Bei anhaltenden Beschwerden müsse festgestellt werden, dass die bisherige ambulante Diagnostik und Therapie dringend intensiviert werden sollte, um eine Stabilisierung des UK zu erreichen. Eine psychosomatische Reha-Maßnahme sei dringend indiziert.
Anlässlich einer Begutachtung des Klägers A. (im Folgenden: DK) am 25.01.2008 kam der Ärztliche Dienst der Agentur für Arbeit Saarland zu einem praktisch identischen Ergebnis, indem er ausführte, dass DK bei anhaltender somatoformer und posttraumatischer Belastungsstörung lediglich eingeschränkt körperlich und psychisch belastbar und für einen Zeitraum von voraussichtlich wenigstens 6 Monaten arbeitsunfähig sei. Es könnten nur Tätigkeiten von weniger als 3 Stunden täglich bzw. 15 Stunden wöchentlich verrichtet werden. Bei anhaltenden Beschwerden müsse festgestellt werden, dass die bisherige ambulante Diagnostik und Therapie dringend intensiviert werden sollte, um eine Stabilisierung des DK zu erreichen. Eine psychosomatische Reha-Maßnahme sei dringend indiziert.
Mit Schreiben vom 08.06.2010 forderte der Beklagte die Kläger auf, einen Gesundheitsfragebogen an den Ärztlichen Dienst zu übersenden; daraufhin forderten die Kläger mit Schreiben vom 14.06.2010 u.a. den Beklagten auf, sie “von weiteren sinnlosen und schikanösen Vorladungen zu verschonen„.
Mit Schreiben jeweils vom 14.09.2010 wurden die Kläger aufgefordert, am 21.09.2010 zu einer Untersuchung beim Ärztlichen Dienst zu erscheinen. Mit Schreiben vom 16.09.2010 weigerten sich die Kläger, den Einladungen Folge zu leisten. In dem Schreiben wurde u.a. ausgeführt: “Insofern werden Sie [der Beklagte] an dieser Stelle au...