Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf häusliche Krankenpflege bei Unterbringung in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe. geeigneter Ort beim Fehlen eines Anspruchs auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger
Leitsatz (amtlich)
1. Versicherte haben grundsätzlich auch dann Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege gemäß § 37 SGB 5, wenn sie in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe leben.
2. Eine stationäre Wohneinrichtung ist dann ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs 2 S 1 SGB 5, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger hat. Rechtlich unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob es sich bei der Einrichtung um ein Heim im Sinne des Heimgesetzes handelt.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 12. Mai 2009 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um Leistungen der häuslichen Krankenpflege.
Die 1952 geborene Antragstellerin leidet unter anderem an einer Persönlichkeitsstörung und einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ II. Sie wohnt seit Oktober 2007 in einer stationären Wohneinrichtung der Behindertenhilfe der Stiftung “D.„, welche von der Beigeladenen zu 2. als gemeinnützige Stiftung betrieben wird. Die Beigeladene zu 1. finanziert den Aufenthalt als Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe gemäß §§ 53 und 54 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII). Die Unterbringung ist durch einen Wohn- und Rehabilitationsvertrag, der zwischen der Antragstellerin und dem Einrichtungsträger (Beigeladene zu 2.) am 15. Oktober 2007 vereinbart wurde, geregelt. Es gilt die Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zwischen der Beigeladenen zu 1. und zu 2. vom 30. September 2003 in der Fassung vom 5. Juli 2006. Die Antragstellerin bewohnt in der Einrichtung ein teilmöbliertes Einzelzimmer mit Dusche und WC. Die Betreuungsleistungen betreffen verschiedene Leistungsbereiche und beinhalten Hilfen bei der Grundversorgung und Lebensgestaltung. Die Leistungserbringung kann in Form von Beratung, Motivierung, Begleitung, Unterstützung und Übernahmen erfolgen. Sie wird nur insoweit angeboten und durchgeführt, wie die Bewohner nicht zur selbständigen Übernahme in der Lage sind. Maßgebliches Ziel ist die Vermeidung bzw. Verkürzung von psychiatrischen Krankenhausbehandlungen und den seelisch behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Wohneinrichtung, in der die Antragstellerin lebt, hält kein Personal zur Durchführung der Behandlungspflege vor. Bezüglich medizinischer Behandlungen besteht lediglich ein Anspruch auf Hilfen bei der Inanspruchnahme (s. LB 2 Ziffer 2.10 der Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII).
Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheiden vom 12. Juni 2008 und 23. Juni 2008 die Gewährung von Leistungen der häuslicher Krankenpflege ab, weil die Antragstellerin als Bewohnerin einer vollstationären Einrichtung Leistungen nur bei einem besonders hohen Bedarf, der vorliegend nicht gegeben sei, erhalten könne. Zugrunde lagen Verordnungen über zweimal täglich Blutzuckermessungen und Insulininjektionen. Der Widerspruch der Antragstellerin blieb erfolglos. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2009 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch als unbegründet zurück. Häusliche Krankenpflege könne in einer stationären Wohneinrichtung nicht gewährt werden.
Am 24. April 2009 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Nach Beiladung des Einrichtungsträgers und des Sozialhilfeträgers hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 12. Mai 2009 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet, vorläufig für die Zeit vom 24. April 2009 bis 31. Dezember 2009 Krankenbehandlung in Form von häuslicher Krankenpflege für zweimal tägliche Blutzuckermessungen und Insulininjektionen zu gewähren. Die Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin als zuerst angegangener Träger ergebe sich bereits aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch (SGB IX), denn es handele sich bei den im Streit stehenden Leistungen als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft um Leistungen zur Teilhabe im Sinne der §§ 4 und 5 SGB IX. Im Übrigen sei die Antragsgegnerin gemäß § 37 Abs. 2 SGB V verpflichtet, der Antragstellerin die verordneten Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege zu gewähren. Die stationäre Wohneinrichtung sei ein geeigneter Ort im Sinne von § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Die Situation von Bewohnern stationärer Einrichtungen der Behindertenhilfe könne nicht mit Heimbewohnern einer Pflegeeinrichtung nach § 43 Sozialgesetzbuch - Elftes Buch (SGB XI) verglichen werden, sofern kein vertraglicher ...