Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. besonderer Härtefall. Fortführung des Studiums. Eingliederungsmaßnahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen sind trotz des grundsätzlichen Ausschlusses solcher Leistungen für Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG dem Grunde nach förderungsfähig ist (§ 7 Abs 5 S 1 SGB 2), dem Grunde nach zu erbringen, wenn ein Fall der besonderen Härte iS von § 7 Abs 5 S 2 SGB 2 vorliegt.

2. Bei der Auslegung des Begriffs der besonderen Härte ist einerseits der Zweck der Ausschlussvorschrift zu berücksichtigen, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende von einer Ausbildungsförderung "auf zweiter Ebene", dh jenseits der dafür vorgesehenen Fördersysteme des BAföG und der Berufsausbildungsbeihilfe, freizuhalten. Andererseits muss in atypischen Fällen die Auslegung des Härtebegriffs auch der Zielvorstellung des Gesetzgebers Rechnung tragen, Hilfebedürftige bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen und sie in das Erwerbsleben einzugliedern. Maßgeblich für die Prüfung eines Härtefalls sind sämtliche Umstände des Einzelfalls.

3. In Anwendung dieser Grundsätze hat der Senat das Vorliegen einer besonderen Härte iS von § 7 Abs 5 S 2 SGB 2 in einem Fall angenommen, in dem erstens ein der Wiedereingliederung eines leistungsgeminderten Hilfebedürftigen dienendes Hochschulstudium auf gesicherter finanzieller Grundlage begonnen und bereits bei Antragstellung zu einem signifikanten Teil abgeschlossen wurde und zweitens zu erwarten war, dass gerade durch einen erfolgreichen Abschluss des Studiums eine leidensgerechte Erwerbstätigkeit ermöglicht wird.

 

Orientierungssatz

Die Fortführung eines Studiums kann auch eine Eingliederungsmaßnahme darstellen und als besonderer Härtefall gewertet werden.

 

Tenor

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 25. September 2007 aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab dem 1. Oktober 2007 bis zum 31. März 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen zu gewähren.

Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe für das Antragsverfahren bewilligt und Rechtsanwalt ... beigeordnet.

Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

 

Gründe

Die am Montag, den 29. Oktober 2007 durch den Antragsteller gegen den ihm am 27. September 2007 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Hamburg (SG) vom 25. September 2007 eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (§ 174 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist statthaft und zulässig (§§ 172, 173 SGG).

Sie ist auch begründet. Das SG hat es zu Unrecht abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller über den 1. Oktober 2007 hinaus darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II zu gewähren.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu dem die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§§ 294 Abs. 1, 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung i. V. m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG).

Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsgrund - er benötigt dringend Leistungen zur Deckung seines notwendigen Bedarfs - als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Insbesondere steht seinem Begehren bei summarischer Prüfung nicht die Regelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II entgegen.

Danach haben Auszubildende, deren Ausbildung - wie das Studium der Islamwissenschaften - im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes oder der §§ 60 bis 62 des Dritten Buches dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Jedoch können in besonderen Härtefällen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen geleistet werden (§ 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II). Ein derartiger Härtefall liegt bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage vor.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum früheren § 26 Satz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), dem § 7 Abs. 2 Satz 2 SGB II nachgebildet ist, besteht eine b...

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