Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Leistungen der Grundsicherung und der Sozialhilfe bei einem Ausländer ohne materielles Aufenthaltsrecht
Orientierungssatz
1. Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 erhalten Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, keine Leistungen nach dem SGB 2. Dies gilt auch in den Fällen, in denen kein materielles Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG besteht. Ist der Ausländer bisher keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern macht er den Nachzug zu seiner in Deutschland lebenden Mutter geltend, ohne dass die Voraussetzungen eines Freizügigkeitsrechts nach § 3 FreizügG vorliegen, so ist die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung ausgeschlossen.
2. Nach § 23 Abs. 3 S. 1 SGB 12 haben Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 SGB 12 erfasst nur den Rechtsanspruch auf Sozialhilfe, nicht aber auch den Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Leistungsgewährung nach § 23 Abs. 1 S. 3 SGB 12. Bei möglicher und zumutbarer Rückkehr in das Heimatland kommt regelmäßig lediglich die Übernahme der Kosten der Rückreise und des bis dahin erforderlichen Aufenthalts in Betracht.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 15. April 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die am 17. Mai 2016, dem Dienstag nach Pfingstmontag, durch die Antragsteller eingelegte Beschwerde gegen den ihnen am 16. April 2016 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 15. April 2016 ist statthaft und auch sonst zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg.
1. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch voraus, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund sind gem. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen.
2. Zu Recht hat das Sozialgericht einen Anspruch der Antragsteller auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) verneint. Es greift nämlich nach dem Kenntnisstand des Eilverfahrens der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Nach dieser Vorschrift erhalten Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, keine Leistungen nach dem SGB II. Dieser Leistungsausschluss steht in Einklang mit Europarecht (vgl. EuGH, Urteile vom 11.11.2014 "Dano" - C 333/13 und 15.09.2015 "Alimanovic" - C 67/14) und Verfassungsrecht (Rechtsprechung des Senats, zuletzt Beschluss vom 14.4.2016 - L 4 AS 76/16 B ER; BSG, Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R). Er gilt zudem nicht nur in den Fällen, in denen ein Antragsteller tatsächlich und aktiv Arbeit sucht, sondern auch in allen Fällen, in denen kein materielles Aufenthaltsrecht nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU festgestellt werden kann (vgl. die Beschlüsse des Senats vom 1.12.2014 - L 4 AS 444/14 B ER, vom 6.10.2014 - L 4 AS 307/14 B ER, vom 14.12.2015 - L 4 AS 475/15 B ER und vom 14.4.2016 - L 4 AS 76/16 B ER; ebenso BSG, Urteil vom 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, Rn. 19 ff.). So liegt es offenbar hier, die 21 Jahre alte Antragstellerin zu 1 ist bislang keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen, sondern macht den Nachzug zu ihrer in Deutschland lebenden Mutter geltend, ohne dass die Voraussetzungen eines Freizügigkeitsrechts nach § 3 FreizügG/EU vorliegen.
3. Zwar kann damit der Anwendungsbereich des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) eröffnet sein (vgl. Beschlüsse des Senats vom 14.1.2013 - L 4 AS 332/12 B ER, vom 2.3.2016 - L 4 AS 35/16 B ER, vom 14.4.2016 - L 4 AS 76/16 B ER). Einem Anspruch auf Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII steht jedoch die Regelung in § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII entgegen. Danach haben Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, keinen Anspruch auf Sozialhilfe. Dies gilt erst recht für solche Ausländer, die nicht einmal Arbeit suchen und die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder gar kein Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügen (vgl. oben zu der entsprechenden Ausschlussregelung in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Daher haben die Antragsteller lediglich einen Anspruch darauf, dass eine Ermessensentscheidung über die Gewährung von Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII getroffen wird. Nach dieser Vorschrift kann "im Übrigen" (d. h. w...