nicht rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung für Arbeitssuchende. Grundsicherung bei voller Erwerbsminderung. Streit um die Erwerbsfähigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Leistungen der Sozialhilfe sind nach der zum 01.01.2005 wirksam gewordenen Neuordnung der sozialen Sicherungssysteme als ein gegenüber der Grundsicherung für Arbeitssuchende des SGB II insgesamt grundsätzlich nachrangiges Leistungssystem zu begreifen (vgl. § 21 SGB XII).

2. Im Falle der Konkurrenz von Leistungen nach dem SGB II und dem SGB XII obliegt nach § 44a Satz 1 SGB II die Feststellung der Erwerbsfähigkeit allein dem Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende und der Hilfebedürftige erhält nach § 44a Satz 2 SGB II vorläufige Leistungen nach dem SGB II.

3. Dieser Umstand schließt den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt auch dann aus, wenn der Hilfebedürftige sich weigert, den nach § 37 Abs. 1 SGB II für den Bezug der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende erforderlichenen Antrag zu stellen.

4. Der Träger der Sozialhilfe hat in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII vorliegen. Insoweit reicht es nicht aus, wenn er sich lediglich auf das Fehlen von Feststellungen zur Erwerbsfähigkeit durch einen Rentenversicherungsträger nach § 45 Abs. 1 SGB XII beruft.

 

Normenkette

SGG § 86b Abs. 2; SGB XII §§ 21, 45 Abs. 1; SGB II § 44a Sätze 1-2, § 37 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Hamburg (Entscheidung vom 02.03.2005; Aktenzeichen S 50 SO 82/05 ER)

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 2. März 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Gründe

Die statthafte und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist nicht begründet.

1. Das Sozialgericht hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG zu Recht abgelehnt. Der Antragsteller hat auch nach der Überzeugung des Senats nicht mit der im sozialhilferechtlichen Eilverfahren notwendigen hohen Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung i.V.m. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG glaubhaft gemacht, dass ihm der mit dem Antrag geltend gemachte Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe nach dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zusteht. Nach dem Kenntnisstand des vorliegenden Eilverfahrens kann er weder Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 27 ff. SGB XII (a) noch Leistungen der Grundsicherung bei voller Erwerbsminderung nach den §§ 41 ff. SGB XII (b) beanspruchen. Vielmehr hat ihn die Antragsgegnerin zu Recht darauf verwiesen, zunächst bei der Beigeladenen um Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) nachzusuchen. Dem Beschwerdevorbringen sind keine (neuen) Gesichtspunkte zu entnehmen, die eine andere Entscheidung in der Sache rechtfertigen würden.

a) Nach §§ 8, 19 SGB XII erhalten Sozialhilfe in der Gestalt der Hilfe zum Lebensunterhalt diejenigen Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen können. Die Leistungen der Sozialhilfe sind nach der zum 1. Januar 2005 wirksam gewordenen Neuordnung der sozialen Sicherungssysteme als ein gegenüber der Grundsicherung für Arbeitsuchende des SGB II insgesamt grundsätzlich nachrangiges Leistungssystem zu begreifen. Dies folgt aus § 21 SGB XII, wonach Leistungen für den Lebensunterhalt nicht erhält, wer als Erwerbsfähiger in eigener Person oder als Angehöriger dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II ist (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB XII, § 21, Rdnr. 4, 7). So liegt es bei dem Antragsteller. Zwar macht er geltend, nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II, d.h. außerstande zu sein, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, jedoch ist gerade dies zwischen den Beteiligten streitig und lässt sich auch in dem vorliegenden Eilverfahren nicht abschließend klären. Insoweit kann sich der Antragsteller zum Beleg der behaupteten vollen Erwerbsunfähigkeit nicht mit Erfolg darauf berufen, dass ihm im Jahre 1986 wegen einer schizophrenen Psychose die Fahrerlaubnis entzogen wurde. Er kann sich ferner auch nicht mit Erfolg auf den bis zum 31. Dezember 2004 erfolgten Bezug von Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz berufen. Beide Umstände mögen Zweifel an der Erwerbsfähigkeit wecken, sie schließen diese jedoch nicht (vollen Umfanges) aus. Weder die Straßenverkehrsbehörde noch der Träger der Sozialhilfe haben in der Vergangenheit Feststellungen im Sinne des § 8 SGB II getroffen. Aktuelle ärztliche Unterlagen, denen Anhaltspunkte für ein aufgehobenes Leistungsvermögen zu entnehmen wären, liegen ebenfalls nicht vor. Demgegenüber legen Umfan...

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