Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Kostenerstattungsansprüche nach § 107 BSHG. Anwendung alten Rechts. Zusammenleben mit Verwandten. Bewilligung von Sozialhilfeleistungen. Interessenwahrungsgrundsatz. Prozesszinsen
Orientierungssatz
1. Der bisherige Sozialhilfeträger hat nach einem Umzug des Sozialhilfeempfängers dem nunmehr zuständigen örtlichen Sozialhilfeträger die erbrachten Sozialhilfeaufwendungen (hier der Jahre 2001 und 2002) gem § 107 Abs 1 BSHG zu erstatten. Die Vorschrift ist weiterhin auf den vorliegenden Fall anzuwenden (vgl BSG vom 24.3.2009 - B 8 SO 34/07 R = SozR 4-5910 § 111 Nr 1).
2. Eine Kostenerstattung ist dann ausgeschlossen, wenn die Sozialhilfe nicht erforderlich gem § 107 Abs 1 BSHG ist und die Sozialhilfezahlungen daher rechtswidrig nach § 111 Abs 1 S 1 BSHG waren (vgl BSG vom 24.3.2009 - B 8/9b SO 17/07 R = BSGE 103, 34 = SozR 4-5910 § 108 Nr 1).
3. Aus § 16 BSHG ergibt sich nicht, dass der Hilfebedürftige, nicht hilfebedürftig iS des § 2 Abs 1, § 107 Abs 1 BSHG gewesen wäre, wenn nicht ersichtlich ist, dass er (hier mit seinem Bruder) eine Haushaltsgemeinschaft iS einer Wirtschaftsgemeinschaft geführt hat (vgl BSG vom 27.1.2009 - B 14 AS 6/08 R = SozR 4-4200 § 9 Nr 6).
4. Die Bewilligung von Sozialhilfeleistungen war nicht gesetzeswidrig, wenn der Sozialhilfeträger nicht nach § 18 Abs 2 S 1 BSHG speziell darauf hingewirkt hat, dass der Hilfebedürftige sich um Arbeit bemüht und Arbeit findet.
5. Zum Nichtvorliegen des Ausschlusses des Kostenerstattungsanspruches wegen Verletzung des sog Interessenwahrungsgrundsatzes gem § 111 Abs 1 S 1 BSHG oder wegen rechtsmissbräuchlichen Handelns.
6. Bei Erstattungsansprüchen nach § 107 BSHG handelt es sich um Geldschulden, die in entsprechender Anwendung der §§ 291, 288 Abs 1 S 2 BGB ab Rechtshängigkeit zu verzinsen sind, wobei der Zinssatz für das Jahr 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beträgt (vgl LSG Celle-Bremen vom 22.03.2007 - L 8 SO 38/06 = FEVS 58, 549 und LSG Hamburg vom 16.8.2006 - L 1 R 41/06 = NZS 2007, 445). Aus § 108 Abs 2 SGB 10 lässt sich nicht ableiten, dass Sozialhilfeträger eine Verzinsung ihrer Erstattungsansprüche nicht sollen beanspruchen können.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten sowie auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Mai 2008 geändert und im Tenor wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird - bei Klagabweisung im Übrigen - verurteilt, an die Klägerin 18.683,62 € zu zahlen, davon das Äquivalent von 1.620 DM Zug um Zug gegen Abtretung der gegenüber dem Vermieter P... F... (...) bestehenden Kautionsrückzahlungsansprüche betreffend die Wohnung des Hilfeempfängers H...-C... G... in der Straße H....
Der Beklagte hat der Klägerin auf den Betrag von 18.683,62 € ab Rechtshängigkeit am 28. November 2005 Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin vom Beklagten die Erstattung von Sozialhilfeaufwendungen verlangen kann.
Der Beklagte hatte im Jahr 2000 dem im seinem Zuständigkeitsbereich (R...) lebenden H...-... ... Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) erbracht. Der Hilfeempfänger war zuvor in ... als Rechtsanwalt tätig gewesen, war jedoch in Folge einer schweren Erkrankung seiner Ehefrau in wirtschaftliche Not geraten und musste seinen Beruf aufgeben. Die Ehefrau des Hilfeempfängers (... G... geb. K...) war 1999 gestorben. Für den Hilfeempfänger war daraufhin von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte mit Bescheid vom 13. November 2000 ein Anspruch auf große Witwenrente bewilligt worden. Die Rente wurde nur im Sterbequartal, d.h. ab 1. März 2000 nicht mehr, gezahlt, eine Nachzahlung vorläufig einbehalten. Ein Widerspruch des Hilfeempfängers hiergegen wurde von der Bundesversicherungsanstalt zurückgewiesen. Mit Schreiben vom 17. Januar 2001 rechnete diese gegenüber dem Hilfeempfänger seine Rentennachzahlung ab, woraus sich ein Nachzahlungsbetrag von 399,63 DM ergab.
Am 15. Dezember 2000 zog der einkommens- und vermögenslose Hilfeempfänger von R... nach H..., wo er vorübergehend bei seinem Bruder unterkam. Am 2. Januar 2001 bewilligte die Klägerin ihm Leistungen nach dem BSHG, die fortan laufend gezahlt wurden. Im Februar 2001 bezog der Hilfeempfänger in H... eine eigene Wohnung, für welche die Klägerin die Kaution darlehensweise übernahm. Auch sonst erhielt er in der Folgezeit weiterhin ohne Unterbrechung laufende Leistungen und auch einmalige Leistungen nach dem BSHG.
Mit Schreiben vom 2. Januar 2001 bat die Klägerin den Beklagten, eine Erstattungspflicht nach § 107 BSHG anzuerkennen. Dies geschah mit Schreiben des Beklagten vom 5. April 2001, soweit die Bagatellgrenze des § 111 Abs. 2 BSHG überschritten sei. Die Klägerin machte daraufhin näher bezifferte Erstattungs...