Entscheidungsstichwort (Thema)
Überlanges Kostenfestsetzungsverfahren. geringe Bedeutung der Feststellung von Gerichtskostenfreiheit. Wiedergutmachung auf andere Weise statt Geldentschädigung
Orientierungssatz
Die Feststellung der überlangen Verfahrensdauer kann als Wiedergutmachung auf andere Weise (gegenüber einer Geldentschädigung) ausreichend sein, wenn es dem Prozessbevollmächtigten im Kostenfestsetzungsverfahren lediglich um die für ihn gebührenrechtlich vorteilhafte, für den Kläger selbst aber kostenmäßig nachteilhafte, zumindest jedoch unbedeutende Feststellung gegangen ist, dass es sich um ein Verfahren nach § 197a SGG gehandelt und der Kläger nicht zum gerichtskostenbefreiten Personenkreis nach § 183 SGG gehört habe.
Nachgehend
Tenor
Es wird festgestellt, dass das Verfahren um 26 Monate verzögert war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 3/4, die Beklagte trägt 1/4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitgegenstand in dem zu Grunde liegenden Verfahren S 4 R 718/10 WA = L 3 R 129/11 war der Entzug einer Erwerbsminderungsrente, die dem im ... 2007 verstorbenen Ehemann der Klägerin zunächst gewährt und im Jahr 2005 nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) entzogen und zurückgefordert worden war. Das Verfahren endete in der Berufungsinstanz durch am 7. März 2012 angenommenes Anerkenntnis der Beklagten vom 23. Februar 2012.
Am 7. März 2012 stellte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für diese einen "Antrag auf Kostenfestsetzung nach dem Gegenstandswert" für die Kosten des Berufungsverfahrens beim Sozialgericht (SG); am 26. Juni 2012 folgte ein "Antrag auf Feststellung des Gegenstandswertes" für die Berufung an das Landessozialgericht (LSG). Hierbei machte der Prozessbevollmächtigte stets geltend, die Klägerin sei nicht Sonderrechtsnachfolgerin, sondern Erbin und deshalb nicht nach § 183 SGG kostenprivilegiert. Im Juli und August 2012 (2 Monate) wurde das Verfahren nicht betrieben. Am 17. September 2012 erging der Beschluss der Kostenbeamtin; dieser richtete sich nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und legte wegen der Kostenprivilegierung eine Betragsrahmengebühr zu Grunde. Hiergegen wendete sich der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin am 16. Oktober 2012 mit der Erinnerung. Im November 2012 und im Januar 2013 gingen Stellungnahmen der Beklagten zum Erinnerungsverfahren ein und wurden weiter verfügt, während im Dezember 2012 (1 Monat) das Verfahren nicht betrieben wurde. Von Februar bis September 2013 (9 Monate) wurde das Verfahren erneut nicht betrieben, im Oktober wurden Schriftsätze der Beteiligten weiterverfügt. Von November 2013 bis November 2014 (13 Monate) wurde das Verfahren wiederum nicht betrieben.
Am 17. November 2014 erhob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in dem Erinnerungsverfahren gegen den Beschluss der Kostenbeamtin vom 17. September 2012 zum Aktenzeichen L 3 R 129/11 die Verzögerungsrüge, die zwar nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, die jedoch im Dezember 2014 Aktivitäten des Gerichts im Sinne gerichtlicher Verfügungen an die Beteiligten auslöste, die wegen des Sachzusammenhangs der aufgeworfenen Frage nach dem Status der Klägerin (Kostenprivilegierung) auch das vorliegende Verfahren betrafen. Von Januar bis Mai 2015 (5 Monate) war das Gericht erneut untätig, bevor am 4. Juni 2015 der die Erinnerung zurückweisende Beschluss des SG erging. Daraufhin erhob der Prozessbevollmächtigte am 20. Juli 2015 die hier streitgegenständliche Verzögerungsrüge wegen des Antrags auf Festsetzung des Streitwertes beim LSG und legte Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des SG ein. Eine Aktivität des Gerichts fand im Juli 2015 (1 Monat) nicht statt. Auf die Mitteilung des Berichterstatters vom 4. August 2015, die Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 4. Juni 2015 sei nicht statthaft, teilte der Prozessbevollmächtigte mit, das wisse er, aber " das Ergebnis sei nicht schön". Am 20. August 2015 erfolgte ein Hinweis des Gerichts, dass eine Streitwertfestsetzung obsolet sei, weil die Klägerin, was inzwischen rechtskräftig feststehe, zu dem Personenkreis des § 183 SGG gehöre. Mit Schriftsatz vom 25. August 2015 antwortete der Prozessbevollmächtigte daraufhin, es erscheine ihm sinnvoll, das Gutachten der Rechtsanwaltskammer in dem Kostenfestsetzungsverfahren gegen die Klägerin abzuwarten, damit die dort vertretene Auffassung abgewogen werden könne.
Mit Beschluss vom 31. August 2015 verwarf das LSG die Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des SG als unzulässig. Im September 2015 (1 Monat) fand keine gerichtliche Aktivität statt. Auf den Hinweis des Prozessbevollmächtigten, dass die Streitwertfestsetzung noch offen sei, erteilte das Gericht einen richterlichen Hinw...