Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergütung von Pflegedienstleistungen eines ambulanten Pflegedienstes durch den Träger der Sozialhilfe

 

Orientierungssatz

1.Nach der ausführlich und zutreffend begründeten Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 13. Juli 2010 (B 8 SO 13/09 R) unterfallen ambulante Pflegeleistungen nicht dem Begriff der Leistungen für Einrichtungen im Sinne des § 19 Abs. 6 SGB XII. Ein ambulanter Pflegedienst hat daher nach dem Tod des pflegebedürftigen Hilfeempfängers keinen eigenen Anspruch - als dessen Sonderrechtsnachfolger - auf Übernahme noch nicht bezahlter Pflegekosten gegen den Sozialhilfeträger.

2.Leistungen zur häuslichen Pflege sind keine "Leistungen für Einrichtungen" im Sinne von § 19 Abs. 6 SGB XII. Der Gesetzgeber unterscheidet schon bei der Begriffsbestimmung zwischen Leistungen außerhalb von Einrichtungen (ambulanten Leistungen) und Leistungen in teilstationären oder stationären Einrichtungen (vgl. § 13 Abs. 1 SGB XII). Ambulante Leistungen werden hiernach "außerhalb von Einrichtungen" erbracht, ambulante Dienste sind mithin gerade nicht Einrichtungen im Sinne der Definition.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 19.07.2011; Aktenzeichen B 8 SO 19/11 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. März 2008 geändert: Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte als Trägerin der Sozialhilfe der Klägerin als Betreiberin eines ambulanten Pflegedienstes Pflegedienstleistungen zu vergüten hat.

Die Klägerin hatte am 13. April 2006 mit dem hilfebedürftigen A. B. einen Pflegevertrag über ambulante Pflegedienstleistungen in dessen Wohnung geschlossen. Diesen Vertrag hatte sie am 18. April 2006 der Beklagten zur Kenntnis gebracht. Am X.XXX 2006 verstarb Herr B., für welchen nachträglich die Pflegestufe II festgestellt wurde.

In der Folgezeit stellte die Klägerin gegenüber der Beklagten für die Zeit bis zu dessen Tod insgesamt 2090,16 EUR für gegenüber Herrn B. erbrachte Pflegedienstleistungen in Rechnung. Mit Bescheid vom 31. Oktober 2006 lehnte die Beklagte das Begehren ab. Nach § 19 Abs. 6 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) könnten nach dem Tode eines Leistungsberechtigten nur Einrichtungen und Pflegegeldempfänger Leistungen erhalten, ambulante Pflegedienste wie die Klägerin seien hingegen nicht anspruchsberechtigt. Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 17. November 2006).

Am 14. Dezember 2006 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt.

Mit Urteil vom 14. März 2008, berichtigt durch Beschluss vom 8. Mai 2008, hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 31. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. November 2006 dem Grunde nach verurteilt, an die Klägerin die angemessenen Kosten für die von ihr in der Zeit vom 18. April 2006 bis zum X.XXX 2006 geleistete Pflege des Herrn A. B., geboren am XX.XXX 1950, unter Berücksichtigung der bereits von der Pflegekasse geleisteten Zahlungen in Höhe von 921,00 EUR monatlich zu zahlen. In der Begründung heißt es, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch zu. Der verstorbene Herr B. habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Übernahme der angemessenen Kosten für eine besondere Pflegekraft aus § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII gehabt. Dieser Anspruch sei nach seinem Tode gemäß § 19 Abs. 6 SGB XII im Wege einer Legalzession auf die Klägerin übergegangen. Zu den nach dieser Vorschrift übergehenden Ansprüchen der Berechtigten auf "Leistungen für Einrichtungen" zählten auch die hier streitigen Ansprüche auf Übernahme der angemessenen Kosten für eine besondere Pflegekraft nach § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, mithin der angemessenen Kosten für einen ambulanten Pflegedienst. Der Wortlaut der Norm stehe einer solchen Auslegung nicht entgegen. Es sei zudem vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz - GG -) kein Grund ersichtlich, warum private Pflegepersonen und stationäre Einrichtungen, nicht dagegen ambulante Pflegedienste durch die Norm begünstigt werden sollten.

Das Urteil des Sozialgerichts ist der Beklagten am 16. Mai 2008 zugestellt worden. Am 4. Juni 2008 hat sie Berufung eingelegt und ausgeführt, die Begründung des Sozialgerichts für die ihr nachteilige Entscheidung sei rechtlich nicht tragfähig, § 19 Abs. 6 SGB XII begünstige ambulante Pflegedienste nicht.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. März 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertieft ihre früheren rechtlichen Ausführungen.

Das Landessozialgericht hat das Berufungsverfahren vorübergehend im Hinblick auf eine zu erwartende Entscheidung des Bundessozialgerichts zum Ruhen gebracht. Nach Wiederaufnahme des Verfahrens ...

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