Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchbruch der Bindungswirkung eines bestandskräftigen Bescheides bei Erstattungsstreitigkeiten verschiedener Sozialversicherungsträger untereinander
Orientierungssatz
1. Das gegliederte Leistungssystem der Sozialversicherungsträger beruht auf dem Prinzip der Aufgabenteilung. Daraus ergibt sich, dass zunächst einmal jeder Versicherungsträger zuständig ist für die Regelung der zu ihm bestehenden Versicherungsverhältnisse. Daraus folgt, dass jeder Versicherungsträger primär die Entscheidungen des anderen Trägers zu respektieren hat und seinen eigenen Entscheidungen zugrunde legen muss.
2. Aus dieser von den jeweiligen Versicherungsträgern zu akzeptierenden Bestandskraft folgt aber nicht, dass im Erstattungsverfahren allgemein jegliche inhaltliche Überprüfung der Entscheidung des anderen Leistungsträgers ausgeschlossen wäre. Die Bindungswirkung entfällt u. a. dann, wenn die Leistung gerade wegen der Leistungsverpflichtung eines anderen Sozialleistungsträgers abgelehnt wurde.
3. Die Bindungswirkung entfällt des Weiteren dann, wenn der Leistungsbescheid offensichtlich unrichtig ist. Das Beharren auf einer Entscheidung über die Leistungsgewährung ist dem vorrangig verpflichteten Leistungsträger dann versagt, wenn die Entscheidung offensichtlich fehlerhaft ist und dem anderen Versicherungsträger zum Nachteil gereicht.
4. Auf eine offensichtliche Unrichtigkeit kann sich der andere Versicherungsträger dann nicht berufen, wenn er in Kenntnis des ablehnenden Bescheides das Widerspruchsverfahren nicht betrieben hat, obwohl er als erstattungsberechtigter Leistungsträger hierzu befugt gewesen wäre.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. November 2006 abgeändert.
Die Beklagte hat der Klägerin die für die Zeit vom 17. Juni 1996 bis 30. Juni 1996 geleistete Sozialhilfe nebst Zinsen in Höhe von 4 % ab Klagerhebung zu erstatten.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte zur Erstattung von Sozialhilfe in Höhe von 29.878,21 EUR verpflichtet ist, welche die Klägerin an den inzwischen verstorbenen B. K. (im Folgenden: K.) geleistet hat.
K. bezog Arbeitslosengeld von der Beklagten vom 20. Juli 1991 bis 17. Januar 1992 und im Anschluss daran Arbeitslosenhilfe. Vom 7. April 1992 bis 31. Juli 1992 übte K. eine Beschäftigung als Raumpfleger aus. Am 17. August 1992 meldete er sich erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosenhilfe. Mit Bescheid vom 7. September 1992 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen und das Ruhen des Anspruchs für die Zeit vom 1. August 1992 bis zum 23. Oktober 1992 fest. Vom 24. Oktober 1992 bis zum 11. Dezember 1992 sowie vom 1. Februar 1993 bis zum 4. September 1993 bezog der K. erneut Arbeitslosenhilfe. Ab dem 6. September 1993 nahm er an einer Bildungsmaßnahme teil und erhielt Unterhaltsgeld. Wegen des Abbruchs der Bildungsmaßnahme stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Oktober 1993 den Eintritt einer Sperrzeit von 8 Wochen für die Zeit vom 17. September 1993 bis zum 11. November 1993 fest. Mit Bescheid vom 3. November 1993 bewilligte die Beklagte dem K. sodann Arbeitslosenhilfe ab 12. November 1993. Es folgten Bewilligungs- und Anpassungsbescheide für die Zeiten ab 1. Januar 1994 (Bescheid vom 3. Januar 1994), ab 1. Juli 1994 (Bescheid vom 1. Juli 1994), ab 2. Januar 1995 (Bescheid vom 2. Januar 1995), ab 1. Juli 1995 (Bescheid vom 4. Juli 1995) und für die Zeit ab 1. Januar 1996 (Bescheid vom 2. Januar 1996).
Nachdem die Beklagte festgestellt hatte, dass mit Bescheid vom 29. Oktober 1993 bereits die zweite Sperrzeit festgestellt worden, eine Feststellung des Erlöschens des Anspruchs jedoch unterblieben war, hob sie mit Bescheid vom 10. Juni 1996 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ab 13. Juni 1996 unter Hinweis auf den Eintritt zweier Sperrzeiten auf. Den hiergegen von K. eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 1997 zurück. Hiergegen wendete sich die Klägerin als Trägerin der Sozialhilfe und erhob Klage vor dem Sozialgericht Hamburg zum Aktenzeichen 7 AR 904/97. Während des laufenden Gerichtsverfahrens lehnte die Beklagte Leistungsanträge des K. vom 29. Mai 1997 (Bescheid vom 15. Juli 1997) und vom 11. Januar 2001 (Bescheid vom 11. Januar 2001) wegen Nichterfüllung der Anwartschaftszeit ab. K. bezog ab 13. Juni 1996 Leistungen von der Klägerin.
Das Sozialgericht Hamburg hob mit Urteil vom 18. Mai 2001 den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 1997 auf und verurteilte die Beklagte, dem K. Arbeitslosenhilfe ab dem 13. Juni 1996 zu bewilligen sowie der Klägerin die ab diesem Datum geleistete Sozialhilfe zu erstatten. Die gegen dieses Urteil zunächst eingelegte Berufung nahm die Beklagte im Dezember 2001 zurück.
Mit Bescheid vom 16. Januar 2002 stellte die Beklagte den Eintritt einer S...