Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs 1 Nr 1 AlgIIV aF. Absetzung nachgewiesener Beiträge für eine private Versicherung vom Einkommen Minderjähriger. Unangemessenheit einer privaten Unfallversicherung wegen Unüblichkeit
Orientierungssatz
1. Die Regelung des § 3 Abs 1 Nr 1 AlgIIV in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung ist verfassungsgemäß (vgl BSG vom 19.03.2008 - B 11b AS 7/06 R = SozR 4-4200 § 11 Nr 10 und vom 18.06.2008 - B 14 AS 55/07 R = SozR 4-4200 § 9 Nr 4).
2. Bei minderjährigen Hilfebedürftigen, die mit volljährigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben und von deren Einkommen daher nach § 3 Abs 1 Nr 1 AlgIIV in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung keine Versicherungspauschale abgesetzt werden kann, können konkret nachgewiesene Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, unmittelbar nach § 11 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 2 vom Einkommen abgesetzt werden.
3. Voraussetzung für die Absetzbarkeit von Versicherungsbeiträgen ist, dass ein Versicherungsschutz besteht, der einen eigenständigen Versicherungsbeitrag auslöst und der nicht lediglich im Rahmen einer beitragsfreien Mitversicherung gewährleistet wird.
4. Die private Unfallversicherung für ein minderjähriges Kind stellt grundsätzlich keine dem Grunde nach angemessene Versicherung dar, da sie nicht zu den üblichen Versicherungen zählt. Etwas anderes gilt, wenn die Absicherung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände gerechtfertigt ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. August 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der ihnen in der Zeit vom 20. Mai 2005 bis 30. November 2006 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - gewährten Leistungen. Dabei geht es allein noch darum, ob die Beklagte bei der Berechnung der Leistungen vom Einkommen des Klägers zu 2. in Form von Kindergeld und Unterhaltsvorschussleistungen Ausgaben für Versicherungsbeiträge abzusetzen hat, wodurch sich höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende ergeben würden. Dies hat die Beklagte abgelehnt.
Die 1971 geborene, erwerbsfähige und hilfebedürftige Klägerin zu 1. ist alleinerziehende Mutter des 1997 geborenen Klägers zu 2., mit dem sie zusammen in einer selbst genutzten Eigentumswohnung in Hamburg lebt. Im Mai 2005 beantragten die Kläger bei der Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 24. Juni 2005 und Änderungsbescheiden vom 25. Oktober 2005, 3. November 2005 und 7. Dezember 2005 wurden den Klägern für die Zeit vom 20. Mai 2005 bis 30. November 2005 Leistungen in wechselnder Höhe bewilligt: Für die Monate Mai, Juni, Juli und August 2005 wurden jeweils voneinander abweichende Beträge zwischen 176,54 EUR und 1122,76 EUR und für die Monate September bis November 2005 der jeweils selbe Leistungsbetrag in Höhe von 1125,64 EUR berechnet. Die Unterschiede in der Höhe der monatlichen Leistungsgewährung beruhten vor allem auf Schwankungen im Einkommen der Klägerin zu 1. und bei den Kosten der Unterkunft für das selbst genutzte Eigenheim. Für den Zeitraum von Juli bis einschließlich November 2006 bewilligte die Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 23. Mai 2006 Leistungen in Höhe von 1036,64 EUR monatlich. Gegen die Leistungsbescheide legten die Kläger fristgemäß Widerspruch ein. Am 15. Juni 2006 haben die Kläger Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht erhoben, die nach Erlass des Widerspruchsbescheides der Beklagten am 6. Juli 2006 in eine Anfechtungsklage umgestellt wurde. Der Widerspruchsbescheid umfasste auch den nicht durch Widerspruch angefochtenen Leistungszeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006, indem der Widerspruch für den gesamten Zeitraum zurückgewiesen und ausdrücklich ausgeführt wurde, dass der für den Zeitraum Dezember 2005 bis Mai 2006 am 3. November 2005 ergangene Bescheid nach § 86 Sozialgerichtsgesetz - SGG - Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden sei.
Im Laufe des Klageverfahrens haben die Kläger ihre Klage darauf beschränkt, den Abzug diverser Versicherungsbeiträge für den Kläger zu 2. von dessen Einkommen von der Beklagten zu begehren. Dabei handelte es sich um die folgenden eigens für den Kläger zu 2. abgeschlossenen Versicherungen: Eine Unfallversicherung in Höhe von monatlich 8,37 EUR, eine Zusatzkrankenversicherung in Höhe von monatlich 3,26 EUR und eine Kapitalversicherung (fondsgebundene Kinderrentenversicherung) in Höhe von monatlich 35,- EUR. Ferner verlangte die Klägerin, jeweils den hälftigen monatlichen Beitrag zu der von ihr abgeschlossenen Familienprivathaftpflichtversicherung in Höhe von 3,82 EUR, der Familienauslandskrankenversicherung in Höhe von 0,71 EUR und der Hausratversicherung in Höhe von 7,82 EUR abzusetzen. Insgesamt begehrten die Kläger som...