Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss eines Anspruchs des an einer Darmfunktionsstörung leidenden Grundsicherungsberechtigten auf Versorgung mit dem Nahrungsergänzungsmittel Flohsamenschalen durch den Grundsicherungsträger
Orientierungssatz
1. Für den Grundsicherungsberechtigten, der an einer Störung der Darmfunktion leidet, besteht weder ein Anspruch auf Versorgung mit dem Nahrungsergänzungsmittel Flohsamenschalen durch den Grundsicherungsträger als Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung aus medizinischen Gründen nach § 21 Abs. 5 SGB 2 noch als unabweisbarer besonderer Bedarf nach § 21 Abs. 6 SGB 2.
2. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB 2 besteht nicht, weil in einem solchen Fall Vollkost ausreichend ist.
3. Dies gilt erst recht dann, wenn der Grundsicherungsberechtigte vom Grundsicherungsträger bereits wegen primärer Laktoseintoleranz einen Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 10 % der Regelleistung erhält.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist noch, ob der Beigeladene zu verurteilen ist, Kosten für von der Klägerin seit 2010 selbst beschaffte indische Flohsamenschalen zu erstatten und diese auch künftig zu übernehmen.
Die 1963 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Klägerin beantragte bei Ersterer im Mai 2013 die Erstattung von Kosten in nicht konkret bezifferter Höhe für einen unbekannten Zeitraum für - zumindest teilweise mit Privatrezepten - selbst verschaffte, nicht verschreibungspflichtige Rezeptur- und Fertigarzneimittel und ein zunächst auf ärztliche Verordnung seit 2010 und seither laufend selbst beschafftes Nahrungsergänzungsmittel (indische Flohsamenschalen), sowie deren künftige Kostenübernahme. Mit diesem Begehren ist sie bei der Beklagten (Bescheid vom 22. Mai 2013, Widerspruchsbescheid vom 26. September 2013) und auf ihre Klage vom 28. Oktober 2013 bei dem Sozialgericht (SG) Hamburg (Gerichtsbescheid vom 18. Dezember 2014, der Klägerin zugestellt am 20. Dezember 2014) ohne Erfolg geblieben.
Die am 19. Januar 2015 eingelegte Berufung der Klägerin hat der erkennende Senat mit Urteil vom 14. Oktober 2015 - L 1 KR 4/15 - zurückgewiesen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat dieses Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht (LSG) Hamburg zurückverwiesen, weil es das Jobcenter team.arbeit.hamburg als möglichen leistungspflichtigen, der Klägerin seit 1. Januar 2005 fast durchgehend und laufend Arbeitslosengeld II gewährenden Grundsicherungsträger nicht nach § 75 Abs. 2 Var. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) notwendig beigeladen habe (Beschluss vom 5. Juli 2016 - B 1 KR 18/16 B -).
Der erkennende Senat hat die Beiladung nachgeholt und die Berufung der Klägerin (erneut) zurückgewiesen (Urteil vom 19. Oktober 2017 - L 1 KR 75/16 ZVW -). Auch der Beigeladene sei nach § 21 Abs. 6 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) hinsichtlich der Arzneimittel nicht leistungspflichtig, weil zum Teil die befragten Ärzte die Notwendigkeit eines medizinischen Bedarfs nicht bejaht hätten (A., B.) und im Übrigen die von der Klägerin geltend gemachten, auf den Monat umgerechneten Kosten den dafür im Regelsatz vorgesehenen Betrag nicht überschritten hätten. Der Beigeladene sei nach § 21 Abs. 5 SGB II auch nicht hinsichtlich der indischen Flohsamenschalen leistungspflichtig. Dieses Mittel wirke durch die Formung des Stuhls einer Kontinenzstörung aufgrund Schließmuskelminderfunktion entgegen, eine Normalisierung der Stuhlbeschaffenheit sei aber schon durch Vollkost zu erreichen. Die Ernährung mit Vollkost werde von § 21 Abs. 5 SGB II nicht erfasst.
Die Klägerin hat erneut Beschwerde über die Nichtzulassung der Revision eingelegt und diese auf das Ziel beschränkt, nur die Zurückweisung der Berufung wegen des Nahrungsergänzungsmittels und der Hautkrankheiten betreffenden Arzneimittel mit dem Rechtsmittel der Revision überprüfen zu lassen. Hierauf hat das BSG dieses Urteil unter der Annahme eines Verfahrensmangels insoweit aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Hamburg zurückverwiesen, als jenes einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung und zukünftige Übernahme der Kosten für die Beschaffung von indischen Flohsamenschalen verneint und von einer Verurteilung des Beigeladenen abgesehen hat; im Übrigen hat das BSG die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen (Beschluss vom 26. Mai 2020 - B 1 KR 7/19 B -). Zur Begründung für die teilweise Zurückverweisung hat das BSG ausgeführt, dass die Klägerin zwar keinen formellen Beweisantrag gestellt und insbesondere kein genaues Beweisthema im Hinblick auf die von ihr begehrte Kostenerstattung und zukünftige Kostenübernahme mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und ...