Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Erziehungsgeld für 4 Pflegekinder. Bestimmung des Pflegekindes gem § 11 Abs 4 SGB 2
Leitsatz (amtlich)
Die Bestimmung des ersten, zweiten usw Pflegekindes iS von § 11 Abs 4 SGB 2 aF ist nicht nach der zeitlichen Reihenfolge der jeweils in einem Pflegeverhältnis zum Leistungsberechtigten stehenden Kinder, sondern nach einer Durchschnittsbildung der erhaltenen Erziehungsgeldanteile durchzuführen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. April 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Anrechnung von Tagespflegegeld auf die Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Die 1959 geborene alleinstehende Klägerin bezieht seit dem Inkrafttreten des SGB II Leistungen nach diesem Gesetz. Aufgrund Vertrages vom 21. September 2004 betreute sie ab dem 1. Oktober 2004 drei Pflegekinder: D. A., geb. am ... 1996, C. A., geb. am ... 2000 und C. A., geb. am ... 2002. Im Jahr 2006 kam noch J. A., geb. am ... 2006, hinzu. Alle vier Kinder sind Geschwister.
Mit Bescheiden vom 14. Juli 2006 wurde Tagespflegegeld für den hier interessierenden Zeitraum von September 2006 bis August 2007 bewilligt: Für D. und C. im Umfang der Leistungsart TP 30 jeweils monatlich 228,-- EUR (Pflegegeldanteil 110,-- EUR, Erziehungsgeldanteil 118,-- EUR); für C. im Umfang der Leistungsart TP 50 monatlich 343,-- EUR (Pflegegeldanteil 143,-- EUR, Erziehungsgeldanteil 200,-- EUR) und für J. im Umfang der Leistungsart TPK 50 monatlich 403,-- EUR (Pflegegeldanteil 143,-- EUR, Erziehungsgeldanteil 260,-- EUR).
Mit Bescheid vom 8. Dezember 2006 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 6. Februar 2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 290,50 EUR. Dabei wurde von dem Bedarf in Höhe von 644,-- EUR (345,-EUR Regelleistung zzgl. 299,-- EUR anteilige Kosten für Unterkunft und Heizung) ein Betrag in Höhe von 353,50 EUR als Einkommen abgesetzt. Der Beklagte wendete hier die seit dem 1. Januar 2007 geltende Vorschrift des § 11 Abs. 4 SGB II an, nach der der Teil des Pflegegeldes nach dem SGB VIII, der für den erzieherischen Einsatz gewährt wird, für das erste und zweite Pflegekind nicht, für das dritte Pflegekind zu 75% und für das vierte und jedes weitere Pflegekind in voller Höhe berücksichtigt wird. Der Beklagte ging entsprechend seiner internen Dienstanweisung davon aus, dass der zu berücksichtigende Erziehungsgeldanteil für alle Kinder jeweils 202,-- EUR monatlich betrage, was den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge entsprach. Diesen Betrag rechnete der Beklagte für ein Kind voll und für ein weiteres Kind zu 75 % an.
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 8. Januar 2007 Widerspruch ein. Sie wies darauf hin, dass der ihr zufließende Erziehungsgeldanteil entgegen den Annahmen in dem Bescheid insgesamt nicht 808,-- EUR, sondern lediglich 696,-- EUR betrage. Auch verstoße es gegen den Gleichheitssatz, dass ihr ein anrechnungsfreies Einkommen in Höhe von 460,-- EUR - statt des Betrages von 342,50 EUR derzeit - verbleiben würde, wenn sie die beiden älteren Kinder, für die weniger Pflegegeld gezahlt werde, abgäbe.
Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 2007 zurück. Die angewandte Anrechnungsweise sei - auch im Hinblick auf die Nachrangigkeit von Leistungen nach dem SGB II - nicht zu beanstanden.
Mit der hiergegen am 13. März 2007 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren nach geringerer Anrechnung des Erziehungsgeldanteils weiterverfolgt. Der Beklagte hat unter anderem eingewendet, dass unter Zugrundelegung des tatsächlich gezahlten Erziehungsgelds kein höherer Anspruch der Klägerin zu errechnen sei. In diesem Fall sei der für J. gezahlte Erziehungsgeldanteil voll anzurechnen, da jener deshalb als viertes Pflegekind im Sinne des § 11 Abs. 4 SGB II anzusehen sei, weil die Klägerin ihn erst seit 2006 betreue, die anderen drei Kinder jedoch bereits seit 2004. Von diesen wiederum sei C. als drittes Pflegekind im Sinne des § 11 Abs. 4 SGB II anzusehen, weil er aus der Gruppe der gleich lang betreuten Kinder das jüngste sei. Dann jedoch wären insgesamt 410,-- EUR (260,-- EUR zzgl. 75% von 200,-- EUR) als Einkommen anzurechnen.
Mit Urteil vom 9. April 2008 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, der Klägerin für den Zeitraum von Januar bis Juni 2007 weitere 49,-- EUR monatlich zu gewähren. Von dem unstreitigen Gesamtbedarf der Klägerin in Höhe von 644,-- EUR seien unter Anwendung des § 11 Abs. 4 SGB II nicht, wie geschehen, 353,50 EUR an Ei...