Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Voraussetzung der Zuerkennung der Merkzeichen “B„ und “aG„
Orientierungssatz
1. Die Zuerkennung eines Merkzeichens “aG„ für eine außergewöhnliche Gehbehinderung kommt nur in Betracht, wenn der Betroffenen sich nur mit großer Anstrengung außerhalb seines Kraftfahrzeuges bewegen kann und er dazu von Beginn an auf fremde Hilfe angewiesen ist.
2. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzung auf Zuerkennung des Merkzeichens “aG„ (hier: abgelehnt).
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung) und "aG" (außergewöhnliche Gehbehinderung) im Streit.
Bei dem am xxx 1967 geborenen Kläger war mit Bescheid vom 8. Juni 1995 ein Grad der Behinderung von 80 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) wegen des Teilverlustes des rechten Beines im Oberschenkel und eines Lendenwirbelsäulen-Syndroms festgestellt worden.
Am 23. Oktober 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG". Nach Auswertung der von den behandelnden Ärzten beigezogenen Unterlagen lehnte die Beklagte diesen Antrag mit Bescheid vom 19. Februar 2009 und Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 2009 ab, stellte jedoch zusätzlich das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "B" fest und eine Bescheinigung zur Vorlage beim Landesbetrieb Verkehr als Nachweis zum Antrag auf Erstellung einer Ausnahmegenehmigung für Parkerleichterungen für schwerbehinderte Menschen aus.
Mit seiner ohne anwaltliche Vertretung gegen die ablehnende Entscheidung zu Protokoll der Rechtsantragstelle des Sozialgerichts erhobenen Klage hatte der Kläger zunächst begehrt, die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides zu verpflichten, ihm "antragsgemäß" das Merkzeichen "aG" "ab Datum der Erstfeststellung (05.07.1995)" zu gewähren sowie "die rückwirkende Geltung des Merkzeichens "B" ab Erstfeststellung festzustellen" und zur Begründung behauptet, mit der vorhandenen Aufsitzprothese lediglich 2 bis 2,5 Minuten gehen zu können. Das Sozialgericht hat aktuelle Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte beigezogen und den Orthopäden Dr. N. mit der Untersuchung und Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser Sachverständige ist in seinem schriftlichen Gutachten vom 31. März 2011 und anlässlich seiner Anhörung im Termin am 18. November 2011 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger beim Gehen nicht auf fremde Hilfe angewiesen sei. Unter Einsatz der rechtsseitigen Oberschenkelprothese und einer links geführten Unterarmgehstütze sei er in der Lage, sich selbständig fortzubewegen. Das Gehen sei auch nicht von großer Anstrengung geprägt. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "aG" seien unter Beachtung der objektiven Befundlage nicht gegeben. Nachdem der Kläger - nunmehr mit anwaltlicher Vertretung - hinsichtlich seines ursprünglichen, auf rückwirkende Feststellung der Merkzeichen "B" und "aG" ab Erstantragstellung im März 1995 gerichteten Begehrens die Klage im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18. November 2011 zurückgenommen hatte, hat das Sozialgericht auf der Grundlage der sachverständigen Beurteilung durch Dr. N. die nur noch auf Feststellung des Merkzeichens "aG" ab Oktober 2008 gerichtete Klage durch Urteil vom 18. November 2011 abgewiesen. Es lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger sich bereits von den ersten Schritten außerhalb seines Fahrzeuges an nur mit großer Anstrengung oder dauernd nur mit fremder Hilfe fortbewegen könne.
Gegen das seiner ehemaligen Prozessbevollmächtigten am 2. Dezember 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. Dezember 2011 Berufung eingelegt, mit der er geltend macht, bei dem Urteil handele es sich um eine "amtsmissbräuchliche Verletzung der freiheitlich demokratischen und sozialen rechtsstaatlichen Grundordnung". Das Sozialgericht habe weder die maßgebliche Rechtsnorm für die begehrte Feststellung des Merkzeichens "G" noch die von ihm - dem Kläger - zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts beachtet. Es habe sich offenbar parteiergreifend darauf beschränkt, die gegen den objektiven Willen des Gesetzgebers von Lobbyisten normierten Sondermaßstäbe für die begehrte Feststellung des Merkzeichens "G" zu verteidigen. Vom Sozialgericht sei er auch gegen seinen Willen durch wiederholte Androhung einer Kostenauferlegung in Höhe von 500,- Euro gedrängt worden, sein ursprüngliches Begehren auf rückwirkende Anerkennung der Merkzeichen "aG" und "B" ab Erstfeststellungsantrag nicht weiter zu verfolgen. Aufgrund seiner Herkunft, seiner Hautfarbe und seiner Behinderung würden ihm neben den Ansprüchen auf leidensgerechte Anerkennung seiner Behinderung auch die Ansprüche auf bedarfsgerechte staatliche Hilfe durch skr...