Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung der Berufung bei verspätetem Eingang bei dem zuständigen Berufungsgericht
Orientierungssatz
1. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich einer versäumten Frist nach § 67 SGG ist bei Verschulden des Adressaten ausgeschlossen. Hat der Berufungskläger vor einem unzuständigen Sozialgericht eine Berufungsschrift aufnehmen lassen, die am darauffolgenden Tag an ein unzuständiges Landessozialgericht abgesandt wurde, aber außerhalb der Berufungsfrist bei dem zuständigen Landessozialgericht eingegangen ist, so ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren.
2. Es ist weder zu beanstanden, dass das Sozialgericht zunächst den Weg über das eigene Landessozialgericht gegangen ist noch dass insgesamt vier Tage bis zum Eingang bei dem zuständigen Landessozialgericht verstrichen sind. Der Berufungskläger selbst hat es zu verantworten, wenn er so knapp vor dem Fristende die Berufung am falschen Ort einlegt.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. November 2011 bis zum 31. Dezember 2011. Dies beruht auf einem Bescheid des Beklagten vom 19. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2013.
Mit Klage vom 11. April 2013 hat der Kläger sich an das Sozialgericht gewandt. Mit Gerichtsbescheid vom 4. Februar 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen; der Gerichtsbescheid ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 9. Februar 2016 zugestellt worden.
Der Kläger am 7. März 2016 vor dem Sozialgericht Berlin eine Berufungsschrift aufnehmen lassen, die am 8. März 2016 an das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg übersandt und von dort aus an das Landessozialgericht Hamburg weitergeleitet worden ist. Sie ist am 11. März 2016 eingegangen. Der Kläger macht geltend, dass man ihm in Berlin gesagt habe, die Sache sei für ihn damit erledigt.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 4. Februar 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 19. September 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2013 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Sache mit Beschluss vom 4. Mai 2016 auf den Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Der Senat hat am 20. Juni 2017 über die Berufung mündlich verhandelt. Es wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung und Beratung war.
Entscheidungsgründe
I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil der Kläger ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
II. Die Entscheidung konnte nach § 153 Abs. 5 SGG durch den Berichterstatter und die ehrenamtlichen Richter ergehen.
III. Die Berufung ist unzulässig, weil verspätet eingelegt. Sie ist nicht, wie es § 151 Abs. 1 SGG verlangt, innerhalb der Frist von einem Monat nach Zustellung des Urteils des Sozialgerichts beim Landessozialgericht eingelegt worden. Vielmehr ist die Berufung erst am 11. März 2016 eingegangen; die Monatsfrist war aber bereits mit Ablauf des 9. März 2016 verstrichen. Die Einlegung der Berufung vor dem Sozialgericht Berlin wahrt die Frist nicht.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Es mangelt nämlich nicht an einem Verschulden des Klägers. Angesichts der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts war er ausreichend informiert über den Ort der Berufungseinlegung. Auch kann er nicht mit Erfolg geltend machen, dass er durch die von ihm behauptete Äußerung eines Mitarbeiters des Sozialgerichts Berlin, für ihn sei die Sache erledigt, an der rechtzeitigen Berufungseinlegung im Hamburg gehindert worden sei. Vielmehr ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass explizit über die Wahrung der Frist gesprochen worden sei, nicht einmal, dass überhaupt das Zustelldatum des Urteils thematisiert worden sei. Mithin durfte er die Äußerung allenfalls so verstehen, dass die Berufungsschrift weitergeleitet werde. Das ist auch geschehen. Dass dabei nicht der ordnungsgemäße Geschäftsgang eingehalten worden wäre, ist nicht erkennbar. Weder ist zu beanstanden, dass das Sozialgericht Berlin den Weg über das eigene Landessozialgericht gegangen ist, noch, dass insgesamt vier Tage verstrichen sind bis zum Eingang in Hamburg. Der Kläger selbst hat es zu verantworten, dass er so knapp vor dem Fristende die Berufung am falschen Ort einlegte.
Fundstellen
Dokument-Index HI10932488 |