Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Fallzusammenführung. Prüfung durch Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Beweisverwertungsverbot für Gerichte
Orientierungssatz
1. Folge einer Fallzusammenführung ist, dass eine gesonderte Abrechnung und Vergütung nicht erfolgen darf. Vielmehr hat das Krankenhaus eine Neueinstufung in eine Fallpauschale mit den Falldaten aller zusammen zu führenden Krankenhausaufenthalte durchzuführen.
2. Die Prüfung einer Fallzusammenführung betrifft die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots und unterliegt damit dem speziellen Prüfregime des § 275 Abs 1c SGB 5 (vgl BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 23/14 R = SozR 4-2500 § 275 Nr 29).
3. Das Beweisverwertungsverbot für die Gerichte ist eine Folge der nach Ablauf der Sechswochenfrist fehlenden Befugnis des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), weitere Ermittlungen durchzuführen. Soweit Prüfungen im vorgerichtlichen Verfahren durch den MDK nicht mehr zulässig sind, sollen diese auch im Sozialgerichtsprozess nicht mehr durchgeführt werden können, weil der Schutzzweck des § 275 Abs 1c SGB 5 ansonsten unterlaufen würde (vgl BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R = BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24). Soweit aber durch die einmal rechtzeitig erfolgte Einleitung des Prüfverfahrens der MDK auch weiteren Auffälligkeiten hätte nachgehen dürfen, gibt es umgekehrt auch keinen Grund, dies den Sozialgerichten zu verwehren.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Juni 2013 abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.
Der bei der Beklagten versicherte P. F. war insgesamt dreimal hintereinander zur vollstationären Behandlung im Krankenhaus der Klägerin, nachdem er sich durch eine Kreissäge an der Hand verletzt hatte. Anlässlich des ersten Aufenthalts vom 20. bis 24. November 2007 wurden ihm deshalb zwei Finger amputiert. Am 30. November 2007 wurde er wegen einer Wundheilungsstörung erneut aufgenommen und bis zum 7. Dezember 2007 stationär behandelt. Es wurden Nekrosen abgetragen, ein Wunddebridement durchgeführt und die Wunde mit Epigard (Kunsthautgewebe) abgedeckt. Während des dritten Aufenthalts vom 12. bis 22. Dezember 2007 wurde das Epigard entfernt und die Wunde mittels einer Hauttransplantation abgedeckt.
Der erste und der dritte Aufenthalt des Versicherten wurden von der Beklagten entsprechend den Abrechnungen der Klägerin vergütet; allein streitig ist die Vergütung des zweiten Aufenthalts. Die Klägerin stellte der Beklagten hierfür eine Vergütung in Höhe von 6.771,65 EUR in Rechnung, wobei sie die DRG (Diagnosis Related Group - diagnosebezogene Fallpauschale) X01A zugrunde legte.
Die Beklagte bezahlte die Rechnung nicht, sondern beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Niedersachsen und im Lande Bremen mit der Überprüfung der Haupt- und Nebendiagnosen, was dieser der Klägerin am 19. Dezember 2007 mitteilte. Aufgrund der Stellungnahme des MDK vom 27. Mai 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass der Aufwand für die Nebendiagnosen J96.1 und T84.1 sowie für den OPS 5-916.29 nicht belegt sei. Als Hauptdiagnose sei S68.2 statt T79.8 zu kodieren, sodass richtigerweise die DRG X06C abzurechnen sei.
Nachdem die Klägerin dieser Auffassung widersprochen hatte, beauftragte die Beklagte den MDK Nord mit einer erneuten Überprüfung der Abrechnung. Dieser bestätigte in seinem Gutachten vom 20. Februar 2009 die Feststellungen des MDK Niedersachsen/Bremen zu den Nebendiagnosen und hielt im Übrigen die Hauptdiagnose T84.6 und die DRG I12C für zutreffend. Die abgerechneten Prozeduren wurden nicht beanstandet.
Am 23. Oktober 2009 hat die Klägerin Klage in Höhe des Rechnungsbetrages erhoben. Im Laufe des Klagverfahrens hat die Beklagte an die Klägerin einen Betrag von 3.505,84 EUR auf der Grundlage der DRG I12C gezahlt. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen und die weitere Zahlung des Differenzbetrages von 3.265,81 EUR beantragt.
Das Sozialgericht hat zur Frage der korrekten Kodierung sowie zur notwendigen Verweildauer den Chirurgen/Unfallchirurgen Dr. K. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat im Vorwege mitgeteilt, dass er für eine sachgerechte Beurteilung auch die Krankenunterlagen für die beiden weiteren stationären Behandlungen des Versicherten benötige, die daraufhin von der Klägerin zur Verfügung gestellt wurden. In seinem Gutachten vom 26. November 2010 ist Dr. K. zu dem Ergebnis gelangt, dass die von der Klägerin zugrunde gelegte Hauptdiagnose richtig sei. Nicht zutreffend seien dagegen die Nebendiagnosen T84.1 und J96.1, vielmehr seien insoweit J41.0 und F17.1 zu kodieren. Isoliert betrachtet ergebe sich somit die DRG X01B. Allerdings sei eine Fallzusammenführung mit dem ...