Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommens- oder Vermögensberücksichtigung. Erbschaft. Zeitpunkt des Erbfalls während des Leistungsbezugs. Zufluss der Geldmittel erst nach längerer Unterbrechung des Leistungsbezugs. Antragstellung
Leitsatz (amtlich)
Bezieht der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalles Leistungen nach dem SGB II, fließen ihm die Mittel aus der Erbschaft aber erst nach einer Unterbrechung der Hilfebedürftigkeit während eines erneuten Leistungsbezuges zu, so ist der aus der Erbschaft zufließende Betrag nicht als Einkommen, sondern als Vermögen anzusehen. Es gelten mithin die Freibeträge nach § 12 Abs 2 SGB II.
Normenkette
SGB II §§ 11-12, 7 Abs. 1 S. 1, § 9 Abs. 1; BGB § 1922
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Mai 2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Bescheid vom 10. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2012 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Klägern für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 31. Juli 2012 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften ohne Berücksichtigung der am 2. Februar 2012 zugeflossenen Zahlung von 5.330,- Euro als Einkommen zu gewähren.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 31. Juli 2012.
Die im xxx 1982 geborene, erwerbsfähige Klägerin lebte im streitgegenständlichen Zeitraum zusammen mit ihrem im xxx 2007 geborenen Sohn, dem Kläger, in H.. Für ihre Wohnung hatte sie monatlich eine Warmmiete von 524,80 Euro zu zahlen. Die Klägerin ist alleinerziehend und teilt sich das Sorgerecht für den Kläger mit dem Kindsvater. Sie verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über ein monatliches Erwerbseinkommen in Höhe von 780,- Euro brutto (622,31 Euro netto) und erhielt für den Kläger Unterhalt von dessen Vater in Höhe von monatlich 225,- Euro, der jeweils bar gezahlt wurde. Ferner wurde Kindergeld in Höhe von 184,- Euro monatlich ausgezahlt. Die Klägerin verfügte außerdem über Altersvorsorgevermögen in Form einer sog. Riester-Rente. Der entsprechende Vertrag war zunächst mit der E. geschlossen (Rente, Kapitalstand zum 31. Dezember 2010: 954,48 Euro), zum 1. August 2012 wechselte die Klägerin zur A. (A. RiesterRente Klassik, Kapitalstand zum 31. Dezember 2012: 1.652,71 Euro).
In der Zeit vom 12. Juni 2006 bis zum 15. Juni 2007 war die Klägerin erwerbstätig, vom 16. Juni 2007 bis zum 25. Oktober 2007 bezog sie Arbeitslosengeld I nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Sie wohnte damals in der Nähe von N.. Nach der Geburt des Klägers erhielt die Klägerin in der Zeit vom 26. Oktober 2007 bis zum 25. Oktober 2008 Elterngeld, aufstockend wurden den Klägern Leistungen nach dem SGB II gewährt. Anschließend bezogen sie bis zum 25. Oktober 2009 Leistungen nach dem SGB II. Während dieser Zeit, nämlich am 25. Juni 2009, verstarb der Großvater der Klägerin und sie wurde im Rahmen einer Erbengemeinschaft Miteigentümerin eines Grundstücks in der G. mit einem Anteil von 1/16. Der Erbschein wurde am 21. September 2009 ausgestellt. In der Zeit vom 26. Oktober 2009 bis zum 24. Oktober 2010 erhielt die Klägerin wiederum Arbeitslosengeld I, ab Januar 2010 bezog sie zusätzlich Wohngeld. Ab dem 1. November 2010 bezogen die Kläger erneut Leistungen nach dem SGB II, zunächst vom Jobcenter M. und - nach ihrem Umzug nach H. - vom 1. August 2011 bis zum 31. Januar 2012 vom Beklagten.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 24. Oktober 2011 verkauften die Klägerin und die übrigen Miteigentümer das Grundstück in der G. zu einem Kaufpreis von 85.280,- Euro. Laut Kaufvertrag sollte 1/16 des Kaufpreises vom Käufer an die Klägerin gezahlt werden.
Die Kläger stellten am 6. Januar 2012 beim Beklagten einen Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab Februar 2012. Im Zuge dessen teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass das Grundstück aus der Erbschaft zwischenzeitlich verkauft worden sei, die Kaufpreiszahlung jedoch noch ausstehe. Sie werde sich beim Beklagten melden, sobald das Geld auf ihrem Konto eingegangen sei. Die Klägerin übersandte Unterlagen betreffend den Verkaufsvorgang, darunter u.a. zwei Kostenberechnungen der den Vertrag beglaubigenden Notarin in Höhe von 14,28 Euro für die Beglaubigung der Unterschrift der nicht persönlich erschienen Klägerin und in Höhe von 28,56 Euro für die Erstellung von Kaufvertrag und Auflassung.
Mit Bescheid vom 10. Januar 2012 lehnte der Beklagte die Weiterbewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 31. Juli 2012 ab. Zur Begründung führt er aus, die Kläger seien in dem genannten Zeitraum nicht hilfebed...