Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Kodierung eines Dekubitus (ICD-10-GM 2016 Nr L89) in Zusammenhang mit einem diabetischen Fußsyndrom (ICD-10-GM 2016 Nr E11.75)

 

Orientierungssatz

Die Kodierung eines Dekubitus (ICD-10-GM 2016 Nr L89) in Zusammenhang mit einem diabetischen Fußsyndrom (ICD-10-GM 2016 Nr E11.75) ist nur zulässig, wenn er auch tatsächlich besteht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.03.2024; Aktenzeichen B 1 KR 41/22 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Vergütung einer Krankenhausbehandlung in Höhe von 11.842,68 € wegen der Kodierung eines Dekubitus bei einem diabetischen Fußsyndrom.

Ein bei der Beklagten Versicherter wurde in der Zeit vom 8. Februar bis zum 2. Mai 2016 im Herz-und Diabeteszentrum des Krankenhauses der Klägerin vollstationär behandelt. Die Aufnahme erfolgte bei ausgeprägtem Fußgangrän links bei diabetischem Fußsyndrom, wobei notfallmäßig eine Vorfußamputation durchgeführt wurde. Zur Klärung der Durchblutungssituation wurde am 9. Februar 2016 eine dopplersonografische Untersuchung der Beinarterien vorgenommen, die das Bild einer Unterschenkel-pAVK ergab. Am 10. Februar 2016 gelangen eine erfolgreiche Angiopathie der verschlossenen distalen Arteria poplitea links und eine Stentimplantation. Therapeutisch erfolgte neben anderem eine kalkulierte Antibiose gegen die Phlegmone und eine Infusion der gefäßaktiven Substanz Prostaglandine E1.

Die Klägerin stellte der Beklagten für ihre Leistung einen Betrag von 30.609,43 € in Rechnung. Der Abrechnung legte sie die DRG F59 A (Mäßig komplexe Gefäßeingriffe mit äußerst schweren CC oder Rotationsthrombektomie) zu Grunde.

Als Hauptdiagnose verschlüsselte die Klägerin hierbei den ICD-10 Code E11.75 (Diabetes mellitus, Typ 2 mit diabetischen Fußsyndrom, bei multiplen Komplikationen, als entgleist bezeichnet), der zwischen den Beteiligten zunächst unstreitig war. Als eine erlösrelevante Nebendiagnose verschlüsselte sie u.a. den ICD-10 Code L89.38 (Dekubitus 4. Grades: sonstige Lokalisation der unteren Extremität)

Nachdem die Beklagte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Prüfung der Abrechnung beauftragte, gelangte der Gutachter Dr. H. mit Gutachten vom 30. August 2016 zu der Einschätzung, dass die Kodierung der Nebendiagnose L89.38 nicht nachvollziehbar und nicht dokumentiert sei. Im Aufnahmebefund werde nur eine Vorfußphlegmone links sowie Hyperkeratosen am Groß- und Kleinzehenballen rechts sowie an den Fersen beidseits beschrieben. Zu Grunde zu legen sei die DRG F28 C (Amputation bei Kreislauferkrankungen außer an oberer Extremität und Zehen, ohne Gefäßeingriff, ohne äußerst schwere oder schwere CC).

Am 29. September 2016 verrechnete die Beklagte den Differenzbetrag in Höhe von 11.842,68 € mit einer unstreitigen Forderung.

Am 5. März 2015 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben. Zum Vorliegen des entsprechenden Dekubitus (lokale Schädigung der Haut und des darunterliegenden Gewebes aufgrund von längerer Druckbelastung) nach dem ICD-10 Code hat die Klägerin auf die vorliegenden Arzt-und Operationsberichte sowie die entsprechende Dokumentation verwiesen. Die durch die Klägerin vorgenommenen Kodierung bilde die vorgenommenen medizinischen Leistungen korrekt ab.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Nephrologen Dr. K. vom 7. August 2019 nebst ergänzender Stellungnahme vom 6. Dezember 2019 eingeholt. Dr. K. ist im Ergebnis zu der vom MDK favorisierten DRG F28 C gekommen, hat aber als Hauptdiagnose den ICD-10 Code I70.25 (Arteriosklerose der Extremitätenarterien, Becken-Bein-Typ, mit Gangrän) zugrunde gelegt. Die Krankheit eines Dekubitus liege bei dem Patienten nach Analyse der Krankenakte nicht vor. Der Dekubitus sei eine eigenständige Krankheit, die sich bei einem bettlägerigen, immobilen Patienten durch anhaltenden Druck eines Knochens auf die liegeseitige Haut und auf die Gewebe zwischen Knochen und Haut entwickele. Manifestationen eines Dekubitus könnten Druckmarkierungen der Haut, Ulzerationen leichten bis schwersten Grades und auch eine Gangrän sein. Unabdingbare Symptome der Krankheit Dekubitus sei die krankheitsbedingte Immobilität eines Patienten (oder einer Gliedmaße eines Patienten). Immobilität habe bei dem hiesigen Patienten vor dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht bestanden. Dennoch könne unter Zuhilfenahme der Ausführungen in den DKR, Kapitel 0401h (S. 87) die diabetische Gangrän im Falle des Patienten mit dem Code L89.38 abgebildet werden. In den DKR seien Symptome wie Ulcus oder Gangrän mit einem Dekubitus gleichgesetzt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Februar 2021 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Vergütung als nach der DRG F28 C. Rechtsgrundlage des geltend gemachten weiteren Vergütungsanspruchs sei § 109 Abs. 4 Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V...

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