Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Abrechnungsfehler
Orientierungssatz
Offensichtlich und ins Auge springend ist ein Fehler im Rahmen der Krankenhausabrechnung nur, wenn sich dieser aus der Rechnung selbst ohne weiteres und auf augenfällige Art und Weise ergibt und nicht schon dann, wenn dazu andere zuvor übermittelte Daten abgeglichen werden müssen. Dies gilt selbst dann, wenn der Fall als solcher Besonderheiten aufweist, die üblicherweise die Aufmerksamkeit der Krankenkasse wecken und zu einer gesonderten Überprüfung der medizinischen Notwendigkeit führen können.
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe einer Krankenhausvergütung.
Bei der Klägerin befand sich der bei der Beklagten versicherte L. vom 26. April bis 28. April 2009 in stationärer Behandlung aufgrund einer chronischen Infektion der Herzschrittmachertasche mit dem Ziel der Lasersondenextraktion.
Mit Endabrechnung vom 11. Mai 2009 stellte die Klägerin der Beklagten 5.001,43 Euro nach der DRG F18A in Rechnung. Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein und beauftragte ihn mit der Klärung folgender Frage: "War die präoperative Aufnahme medizinisch begründet?" Der MDK kreuzte auf der entsprechenden Prüfmitteilung an die Klägerin folgende zuzusendenden Unterlagen (und damit alle Optionen) an: "Endgültiger Entlassungsbericht, Verlegungsbericht, Verlaufsbericht/ Prozedurenberichte soweit erfolgt, z.B. OP-Bericht, Herzkatheterbericht, Beatmungsprotokoll(e) etc./ kumulatives Laborblatt/ Bei der kassenseitigen Frage nach Zusatzentgelten bitten wir Sie um geeignete Kopien aus der Krankenakte, die Art und Umfang der abgerechneten Zusatzentgelte sicher belegen".
In der Folge kam der MDK zu der Einschätzung: "Aus den hier vorliegenden Unterlagen ergeben sich keine Hinweise auf eine Notwendigkeit von Maßnahmen, die an die spezifischen Möglichkeiten eines Krankenhauses am 26.04.2009 (d.h. einen Tag vor dem ärztlichen Eingriff) gebunden wären, bzw. die der besonderen Mittel und Einrichtungen eines Krankenhauses bedurft hätten" und kürzte die Verweildauer um einen Tag. Die Beklagte zahlte darauf hin lediglich 4.654,41 Euro an die Klägerin. Auch im Hinblick auf den von der Klägerin eingelegten Widerspruch verblieb die Beklagte bei ihrer Auffassung und teilte dies der Klägerin am 8. Juni 2010 unter Anforderung einer korrigierten Rechnung mit. Eine Reaktion der Klägerin hierauf blieb zunächst aus.
Mit Schreiben vom 13. November 2013 übermittelte die Klägerin der Beklagten dann eine korrigierte Krankenhausabrechnung. In dieser Rechnung kürzte die Klägerin die Verweildauer um einen Tag, erhob aber ein Zusatzentgelt für den Einsatz eines E.-Lasers zur Extraktion von Schrittmacher- und Defibrillatorelektroden. Die Beklagte lehnte die nachträgliche Begleichung des Zusatzentgelts wegen Verwirkung ab.
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 10. April 2017 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte berufe sich zu Recht auf den Einwand der Verwirkung. Die Zulässigkeit von Nachforderungen eines Krankenhauses wegen Behandlung eines Versicherten richte sich nach dem Rechtsgedanken des § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nach Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung. Diese setze als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen habe und weitere besondere Umstände hinzuträten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen ließen. Solche, die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" lägen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf habe vertrauen dürfen, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut habe, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet habe (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstünde.
Grundsätzlich passe das Rechtsinstitut der Verwirkung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist zwar nicht, als ein Verwirkungsverhalten sei aber regelmäßig die vorbehaltlose Erteilung einer nicht offensichtlich unschlüssigen Schlussrechnung eines Krankenhauses zu werten. Eine Vertrauensgrundlage entstehe in der Regel im Anschluss hieran, wenn das Krankenhaus eine Nachforderung weder im gerade laufende...