Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Hilfebedürftigen auf einen Mehrbedarfszuschlag wegen kostenaufwändiger Ernährung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 12 Abs. 5 SGB 12 hat der Hilfebedürftige Anspruch auf einen Mehrbedarf, wenn er gesundheitsbedingt einer kostenaufwändigen Ernährung bedarf. Schuppenflechte, Allergien, abdominelle Beschwerden und eine Dysphagie begründen kein Abweichen von einer normalen Vollkosternährung. Diese Erkrankungen bedürfen lediglich einer leichten Vollkosternährung, die keine besonderen Mehrkosten verursacht.

2. Dies gilt ebenso beim Vorliegen einer Kuhmilchallergie sowie einer Laktose- oder Fruktoseintoleranz. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins begründen diese Erkrankungen keine ernährungsbedingten Mehrkosten.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger ein Mehrbedarfszuschlag wegen kostenaufwendigerer Ernährung zusteht.

Der Kläger ist am …1945 geboren. Er bezieht Altersrente und ergänzend von der Beklagten Grundsicherung nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Der Kläger ist multimorbide. In ärztlichen Äußerungen ist insbesondere auch von Psoriasis, Allergien, abdominellen Beschwerden und Dysphagie die Rede.

Im Juli 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten einen Mehrbedarfszuschlag, nachdem das Institut b. aufgrund eines sogenannten IgG4-Tests verschiedene Nahrungsmittelunverträglichkeiten festgestellt hatte. Nach dem Testbericht vom 10. Mai 2012 wird dem Kläger empfohlen, bestimmte Lebensmittel nur alle drei oder vier Tage zu essen, Banane, Kuhmilch, Paprikaschoten, Schafsmilch, Spinat, Stutenmilch, Tomaten und Ziegenmilch für zwei Monate zu meiden sowie Sellerie mindestens drei Monate lang zu meiden. Am 27. Juli 2012 bescheinigte die Hausärztin des Klägers unter Hinweis auf die Testung von b. multiple Nahrungsmittelallergien bei Psoriasis vulgaris und eine Verstärkung der Psoriasis bei Aufnahme dieser Nahrungsmittel; es sei eine aufwendigere Kost bei nur geringerer Lebensmittelauswahl erforderlich.

Mit Bescheid vom 19. Oktober 2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwendigere Ernährung ab: Nach Stellungnahme des Gesundheitsamtes bestehe kein Mehrbedarf. Es werde eine nach Verträglichkeit abgewandelte Normalkost (Weglassen bestimmter Nahrungsmittel) empfohlen. Ein krankheitsbedingter Mehrbedarf sei nur bei schweren Verläufen als Einzelfallentscheidung zu bewilligen. Diese Voraussetzungen seien beim Kläger nicht gegeben.

Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, er dürfe Milch und Milchprodukte nicht verzehren. Ersatzlebensmittel seien wesentlich teurer.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2013 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung eines Mehrbedarfs nach § 30 Abs. 5 SGB XII. Er bedürfe aufgrund seiner Lebensmittelallergien lediglich einer abgewandelten Form der Normalkost. Ausreichend sei das Weglassen bestimmter Lebensmittel, wobei die Firma b. lediglich von einem zeitlich begrenzten Weglassen bestimmter Lebensmittel ausgehe.

Der Widerspruchsbescheid ist dem Kläger am 29. Januar 2013 zugestellt worden. Am 13. Februar 2013 hat er vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben.

Der Kläger hat geltend gemacht, er müsse Milchprodukte meiden. Dies sei wegen bestehender Osteoporose ein Problem.

Das Sozialgericht hat zum Gesundheitszustand des Klägers diverse Befundberichte eingeholt. In dem Bericht von Dr. K. vom 17. Juni 2013 heißt es, der Kläger habe passager eine abdominelle Beschwerdesymptomatik mit Blähbauch, Unwohlsein und Meteorismus berichtet. Er bemerke eine Verschlechterung nach Einnahme von bestimmten Lebensmitteln und vermute Lebensmittelunverträglichkeiten und Arzneimittelinteraktionen. In diesen Phasen habe er unter einer Verschlechterung der Hauterscheinungen und seiner Gelenkbeschwerden gelitten. In dem beigefügten Bericht des Facharztes für Orthopädie Dr. D. vom 31. Januar 2012 ist unter anderem als Diagnose "Dermatitis durch aufgenommene Nahrungsmittel, alle Milchprodukte, Nüsse" genannt.

Das Sozialgericht hat außerdem Beweis erhoben durch Einholung eines ökotrophologischen Gutachtens durch Prof. Dr. B. vom 7. April 2014. Diese hat insbesondere die Diagnosen Psoriasis, Allergien, abdominelle Beschwerden und Dysphagie in Betracht gezogen sowie auf eine möglicherweise bestehende Laktoseintoleranz hingewiesen. Aufgrund der danach dem Kläger zu empfehlenden Diät ergäben sich keine Mehrkosten. Auf das Gutachten (Blatt 158-165 der Prozessakten) wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 18. November 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Es lasse sich beim Kläger ein Mehrbedarf nach § 30 Abs. 5 SGB XII nicht begründen. Die Sachverständige habe die vom Gericht eingeholten ärztlichen Berichte ausgewertet und die danach aus ernährungswissenschaftlicher Sicht relevanten Diagnosen, das seien die Schuppenflechte, Allergie...

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