Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterschiedliche Vergütung im organisierten bzw. im freiwilligen Notfalldienst erbrachter vertragsärztlicher Leistungen. Sachlich-rechtliche Richtigstellung. Notfallpraxis. Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen. Punktwert. Ungleichbehandlung
Orientierungssatz
1. Die Kassenärztliche Vereinigung ist nach § 106 a SGB 5 zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der vertragsärztlichen Honorarforderung berechtigt. Hierzu gehört die arztbezogene Prüfung der Abrechnung auf Plausibilität sowie die Prüfung abgerechneter Sachkosten.
2. Bei der Überprüfung im ärztlichen Notfalldienst erbrachter Leistungen hat das Gericht u. a. zu prüfen, ob die Leistungen im Rahmen einer Notfall-Erstversorgung geblieben sind. Der Notfalldienst berechtigt den Arzt von vorneherein nicht zur Erbringung von Leistungen, die typischerweise im Rahmen einer kontinuierlichen Patientenbetreuung anfallen.
3. Die Partner der Honorarverteilungsvereinbarung sind nicht aus Gleichbehandlungsgründen dazu verpflichtet, den freiwilligen Notfalldienst hinsichtlich der Vergütung dem organisierten Notfalldienst völlig gleichzustellen. Entscheidend für die abweichende Vergütung ist die Tatsache, dass ein Patient, der sich beim Vertragsarzt im Rahmen einer von diesem vorgehaltenen Notfallsprechstunde vorstellt, den Vertragsarzt nicht unvorhergesehen in Anspruch nimmt.
Normenkette
SGB V § 106a Abs. 1, 2 S. 1
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Neubescheidung seiner Honorarabrechnung für das Quartal II/2007.
Er war im streitigen Quartal als Facharzt für Allgemeinmedizin im Bezirk der Beklagten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Neben seiner regulären Tätigkeit sowie der Teilnahme an dem von der Beklagten in Wahrnehmung ihres Sicherstellungsauftrags organisierten Notdienst (§ 73 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 75 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB V) behandelte er Patienten auch in der Hausärztlichen Notfallpraxis am M. (i.F.: H.) in H1. Hierbei handelt es sich um eine Einrichtung niedergelassener Hausärzte in Zusammenarbeit mit dem M., die die allgemeinärztliche Notfallbehandlung sichern und die Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und Hausarzt verbessern soll. Die Praxis hat am Wochenende und an Feiertagen von 9 Uhr bis 21 Uhr geöffnet.
Mit Bescheid vom 26. November 2007 setzte die Beklagte für das Quartal II/2007 ein Honorar von 40.157,71 Euro fest. Mit Bescheid vom 4. Dezember 2007 erklärte sie außerdem, sie habe das vom Kläger angeforderte Honorar für das Quartal II/2007 um 184.66 Punkte und 6 Euro gemindert: Der Kläger habe die Nrn. 01100 und 01101 des zum 1. April 2005 in Kraft getretenen Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für ärztliche Leistungen (EBM 2000plus) unberechtigt in Ansatz gebracht, da im Notfalldienst nicht von einer unvorhergesehenen Inanspruchnahme ausgegangen werden könne. Weiterhin habe der Kläger die Nr. 03005 EBM 2000plus zu Unrecht im Notfalldienst des Krankenhauses in Ansatz gebracht. Im Arbeitsausschuss des Bewertungsausschusses sei Einigkeit darüber erzielt worden, allen Arztgruppen des hausärztlichen und des fachärztlichen Versorgungsbereiches die Abrechnung von Leistungen nach den Nrn. 03005 und 04005 EBM 2000plus im Rahmen der Erbringung im Notfall und im organisierten Not(fall)dienst generell zu untersagen. Hinsichtlich der Nr. 03351 EBM 2000plus habe der Kläger weder über die erforderliche Weiterbildung verfügt, noch habe er entsprechende Leistungen bereits vor dem 31. Dezember 2002 abgerechnet. Weiterhin habe er Leistungen nach den Nrn. 13400, 30500, 32099 und 32101 EBM 2000plus zu Unrecht in Ansatz gebracht.
Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 21. Januar 2008 (Eingang bei der Beklagten am 24. Januar 2008) Widerspruch. Er wende sich "insbesondere" gegen die Nichtabrechnung der Nrn. 01100, 01101, 01821, 03005 und 13400 EBM 2000plus. Zudem ergänzte der den Widerspruch mit Schreiben vom 23. Januar 2008 (Eingang bei der Beklagten am 24. Januar 2008) um verschiedene andere Gebührenordnungsnummern, u.a. auch die Nr. 03351 EBM 2000plus, die ebenfalls abrechenbar sei, weil er - wie die Beklagte bei der Durchsicht ihrer Leistungsstatistiken feststellen werde - die entsprechenden Leistungen bereits vor 2002 erbracht habe.
Mit Bescheid vom 19. August 2008 half die Beklagte dem Widerspruch insoweit ab, als sie anstelle der in Ansatz gebrachten Nr. 01821 EBM 2000plus die Nr. 13220 EBM 2000plus nachberechnete. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2008 wies sie den Widerspruch im Übrigen zurück.
Am 13. Oktober 2008 hat der Kläger Klage erhoben. Er hat ausgeführt, die Nrn. 01100 und 01101 EBM 2000plus kämen zur Anwendung, da es sich bei dem Dienst in der H. nicht um eine reguläre Sprechstunde gehandelt habe. Die Patienten hätten ihn unvorhergesehen in Anspruch genommen, da die H. nicht einmal eine eigene Telefonnummer habe....