Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Nothilfe. Erstattungsanspruch eines Krankenhausträgers wegen stationärer Krankenhausbehandlung. Anforderungen an das Vorliegen eines Eilfalls. Abstellen auf den Zeitpunkt der Notlage. kein Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen am Folgetag oder am nächsten Werktag
Orientierungssatz
1. Das Vorliegen eines Eilfalls iS des § 121 BSHG ist nicht bereits dadurch ausgeschlossen, dass sich der Betroffene nicht unmittelbar in medizinische Behandlung begeben hat. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass der dem Nothelfer bekannte Sachverhalt bei objektiver Beurteilung so gelagert ist, dass er berechtigterweise davon ausgehen konnte, sofort Hilfe leisten zu müssen.
2. Ist einem Krankenhausträger als Nothelfer die Benachrichtigung des Sozialhilfeträgers am Tag der Aufnahme des Patienten aus Gründen der Unvorhersehbarkeit und Eilbedürftigkeit der Leistung nicht möglich, so entfallen die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Eilfalls auch nicht am Folgetag der Aufnahme oder am nächsten Werktag, denn für die Beurteilung des Eilfalls ist grundsätzlich einheitlich auf den Zeitpunkt der Notlage abzustellen.
Nachgehend
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1. Februar 2010 wird geändert:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Dezember 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2006 verurteilt, an den Kläger weitere 38.038,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % jährlich seit dem 1. Juni 2004 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen als Nothelfer gegenüber der Beklagten als Trägerin der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zusteht.
Der klagende "Berufsgenossenschaftliche Verein", dessen Mitglieder gesetzliche Unfallversicherungsträger sind und dessen Zweck die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens ist, betreibt das Unfallkrankenhaus H ... Am Nachmittag des 31.08.2003 (Sonntag) begab sich der Beigeladene in die Notfallambulanz dieses Krankenhauses wegen schwerer durch Säure entstandener Verätzungen. Diese hatte er sich zwei Tage zuvor bei einem privaten Unfall zugezogen. Von der in der Notfallambulanz tätigen Ärztin wurde er in das Unfallkrankenhaus zur stationären Behandlung eingewiesen. Dort wurde er zunächst medikamentös behandelt und am 04.09.2003 operiert. Am 19.10.2003 wurde der Beigeladene aus dem Krankenhaus entlassen. Bei der Aufnahme hatte der Beigeladene angegeben, bei der Seekasse krankenversichert zu sein. Ende Oktober 2003 lehnte die Seekasse eine Übernahme der Behandlungskosten in Höhe von 39.000,39 EUR allerdings mangels Mitgliedschaft des Beigeladenen ab.
Der Kläger stellte am 12.11.2003 bei der Beklagten einen Antrag auf Übernahme der Behandlungskosten. Mit Schreiben vom 04.12.2003 lehnte die Beklagte eine solche ab, da eine sozialhilferechtliche Bedürftigkeit des Beigeladenen nicht feststehe.
Der Kläger leitete daraufhin gegen den Beigeladenen zivilrechtliche Schritte ein. Am 09.02.2005 gab der Beigeladene eine eidesstattliche Versicherung ab, und am 24.06.2005 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet.
Im November 2004 legte der Kläger gegen das nicht mit Rechtsmittelbelehrung versehene Schreiben der Beklagten vom 04.12.2003 Widerspruch ein: Der Beigeladene sei seit Februar 2003 nicht mehr Mitglied der Seekasse gewesen. Die Behandlungskosten könne er aufgrund seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht bezahlen. Mit Schreiben vom 18.10.2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Antrag auf Übernahme der Kosten für die Krankenhausbehandlung des Beigeladenen werde abgelehnt. Dieser sei im Behandlungszeitraum nicht bedürftig gewesen. Eine Vorsprache des Beigeladenen im Juli 2005 sei ergebnislos geblieben. Später verwies die Beklagte auch darauf, eine Hilfebedürftigkeit des Beigeladenen habe weder von ihm noch von anderer Seite nachgewiesen werden können.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2006 wies die Beklagte den früher eingelegten Widerspruch des Klägers zurück: Ein Erstattungsanspruch gem. § 25 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bzw. § 121 BSHG setzte voraus, dass der Kläger einem Sozialhilfebedürftigen in einem Eilfall Leistungen erbracht habe, die bei rechtzeitigen Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen gewesen wären. Es fehle hier bereits an den Voraussetzungen eines Eilfalles. Dafür reiche es nicht aus, dass eine Notfallsituation im medizinischen Sinne vorgelegen habe. Es müsse sich vielmehr um einen Eilfall im sozialhilferechtlichen Sinne gehandelt haben. Der Beigeladene werde auf der Endrechnung des Krankenhauses als "Selbstzahler" geführt. Es sei aber auch eine Kostenübernahme bei der Seekrankenkasse beantragt worden, die letztlich abgelehnt worden sei. Der Kläger habe sich anschließend lediglich mit Schreiben vom 12.11.2003 an das Sozialamt gewandt. Dann habe es sich mit dem Hi...