Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtzeitige vertragsärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit des Versicherten als Voraussetzung für das Weiterbestehen des Krankengeldanspruchs. Ausnahmefall
Orientierungssatz
1. Nach § 46 SGB 5 in der bis zum 22. 7. 2015 geltenden Fassung besteht ein Anspruch auf Krankengeld erst für den Tag, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt, und zwar auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bereits wesentlich früher eingetreten ist.
2. Nach der neueren Rechtsprechung des BSG (BSG Urteil vom 11. 5. 2017, B 3 KR 22/15 R) steht dem Krankengeldanspruch eine erst nachträglich erfolgte Arbeitsunfähigkeitsfeststellung nicht entgegen, wenn der Versicherte u. a. alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan hat, um seine Ansprüche zu wahren.
3. Als anerkannter Ausnahmefall gilt des Weiteren eine dem Arzt unterlaufene Fehleinschätzung. Deren Erheblichkeit setzt voraus, dass dieser den Versicherten gesehen und untersucht hat. Erforderlich ist hierzu, dass ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt stattgefunden hat.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Weiterzahlung von Krankengeld über den 27. Mai 2015 hinaus.
Der Kläger ist p. Staatsangehöriger und war bis 30. April 2015 in der Bundesrepublik beschäftigt. Er erkrankte am 9. März 2015 arbeitsunfähig und erhielt in der Folgezeit bis 21. April 2015 Lohnfortzahlung. Ende März 2015 reiste er wieder nach P., wo er sich seitdem aufhält. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige Kündigung mit Ablauf des 30. April 2015.
Die erste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 9. März 2015 und auch die weitere AU-Bescheinigung vom 17. März 2015 stellte sein in der Bundesrepublik Deutschland tätiger Arzt aus und bestätigte darin eine Arbeitsunfähigkeit (AU) bis 27. März 2015. Die weiteren AU-Bescheinigungen stellte der p. Arzt des Klägers in p. Sprache aus:
- AU-Bescheinigung vom 30.03.2015 für die Zeit vom 28.03.2015 - 27.04.2015
- AU-Bescheinigung vom 27.04.2015 für die Zeit vom 28.04.2015 - 27.05.2015
- AU-Bescheinigung vom 28.05.2015 für die Zeit vom 28.05.2015 - 27.06.2015
Sowie weitere AU-Bescheinigungen vom 29.06.2015 für die Zeit vom 28.06.2015 bis zum 28.12.2015.
Mit Schreiben vom 30. April 2015 bestätigte die Beklagte den Erhalt der AU-Bescheinigung vom 27. April 2015 und bat den Kläger, durch seinen behandelnden Arzt die Diagnosen ergänzen zu lassen und die AU-Bescheinigung übersetzen zu lassen. Weiterhin wies sie den Kläger darauf hin, dass die AU-Bescheinigungen innerhalb einer Woche vorzulegen seien, da andernfalls der Anspruch auf Krankengeld ruhe.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Anspruch auf Krankengeld am 27. Mai 2015 ende, da die AU-Bescheinigung vom 27. April 2015 die Arbeitsunfähigkeit bis 27. Mai 2015 bestätigte und die Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit erst am 28. Mai 2015 erfolgte und verwies auf die Entscheidung des BSG vom 10. Mai 2012 Az.: B 1 KR 19/11 R.
Der Kläger erhob hiergegen Widerspruch und legte in der Folge am 18. Dezember 2015 noch einen Auszahlschein vom 27. April 2015 vor, in dem der behandelnde p. Arzt Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres attestiert. Dieser sei nachträglich ausgestellt, da der Kläger sich durchgehend bei diesem Arzt seit 30. März 2015 in Behandlung befände. Weiterhin legte der Kläger ein Attest seines behandelnden Arztes vom 22. Dezember 2015 vor, in dem der Arzt darauf hinweist, dass der Kläger nach p. Recht keine unentschuldigten Arbeitsunfähigkeitslücken während des Krankengeldbezugs aufweise und der Kläger seine Praxis regelmäßig besucht und auch die Wiedervorstellungstermine eingehalten habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos.
Im Urteil vom 7. Februar 2018 ist im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch auf Krankengeld bestehe nach § 46 SGB V in der bis zum 22. Juli 2015 gültigen Fassung erst für den Tag der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folge und zwar auch dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich bereits wesentlich früher eingetreten sei. Die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitig getroffenen Feststellung seien vom Versicherten zu tragen. Eine Ausnahme sei grundsätzlich nur dann möglich, wenn der Versicherte wegen Geschäft- oder Handlungsunfähigkeit nicht in der Lage gewesen sei, die für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit notwendigen Handlungen vorzunehmen. Nur in diesen eng begrenzten Fällen komme es auf den Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit und nicht auf den Zeitpunkt der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an. Bezogen auf den vorliegenden Fall habe damit die Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit spätestens am 27. Mai 2015 erfolgen müssen, da nur bis zu diesem Tag Arbeitsunfähigkeit nachgewiesen gewesen sei, um für den Zeit...