Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung. kein Mindestalter von 60 Jahren
Orientierungssatz
Es kann sich auch dann um einen geriatrischen Patienten iSd OPS 2011 Nr 8-550 handeln, wenn dieser - trotz jüngeren Lebensalters - aufgrund einer alterstypischen Multimorbidität biologisch entsprechend vorgealtert ist. Die streng nach ihrem Wortlaut auszulegenden Abrechnungsbestimmungen für eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung enthalten kein Mindestalter von 60 Jahren (Festhaltung an LSG Hamburg vom 20.2.2014 - L 1 KR 34/12; entgegen BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 21/14 R = SozR 4-2500 § 109 Nr 46).
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist ein Anspruch auf Vergütung wegen vollstationärer Krankenhausbehandlung mit Kodierung einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung (im Folgenden: GFK) bei einem unter 60-jährigen und dabei vorab die Frage, ob der geltend gemachte öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch der klagenden Krankenkasse verwirkt ist.
Die Beklagte ist Trägerin eines Krankenhauses, das zur Behandlung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen ist. In der Zeit vom 8. Februar bis 1. März 2011 wurde der am 7. Februar 1956 geborene, bei der Klägerin versicherte H. (im Folgenden: Versicherter) darin stationär behandelt. Unter dem 4. März 2011 stellte die Beklagte der Klägerin 6305,07 Euro in Rechnung (Fallpauschale DRG ≪Diagnosis Related Group≫ K44Z ≪GFK bei endokrinen, Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten≫ auf Grundlage der Kodierung der Hauptdiagnose ICD-10 E11.75 ≪ Nicht primär insulinabhängiger Diabetes mellitus ≪≪Typ-2-Diabetes≫≫ mit diabetischem Fußsyndrom, als entgleist bezeichnet≫, der Nebendiagnosen ICD-10 G63.2 ≪Diabetische Polyneuropathie≫, G81.9 ≪ Nicht näher bezeichnete Hemiparese und Hemiplegie≫, L89.18 ≪Dekubitus 2. Grades, sonstige Lokalisationen der unteren Extremität≫, I79.2 ≪Periphere Angiopathie bei anderenorts klassifizierten Krankheiten≫, F17.1 ≪Psychische und Verhaltensstörungen durch Tabak, schädlicher Gebrauch≫, I10.90 ≪ Nicht näher bezeichnete essentielle Hypertonie ohne Angabe einer hypertensiven Krise≫, I25.9 ≪Chronische ischämische Herzkrankheit, nicht näher bezeichnet≫, I48.09 ≪Vorhofflattern, nicht näher bezeichnet≫, I70.23 ≪Atherosklerose der Extremitätenarterien, Becken-Bein-Typ, mit Ulzeration≫, Z92.1 ≪Dauertherapie ≪≪gegenwärtig≫≫ mit Antikoagulanzien in der Eigenanamnese≫, S88.9 ≪Traumatische Amputation am Unterschenkel, Höhe nicht näher bezeichnet≫ und U50.30 ≪Mittelschwere motorische Funktionseinschränkung, Barthel-Index 40-55 Punkte≫ sowie der Kodierung der OPS ≪Operationen- und Prozedurenschlüssel≫ 8-550.1 ≪GFK, mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten≫ und 9-401.22 ≪Nachsorgeorganisation, mindestens 50 Minuten bis 2 Stunden≫), die von der Klägerin zunächst voll bezahlt und auch nicht beanstandet wurde.
Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 21/14 R - (SozR 4-2500 § 109 Nr. 46) entschieden hatte, dass eine GFK nur für Patienten ab Vollendung des 60. Lebensjahrs vorgesehen sei, bat die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 14. Dezember 2015, u.a. die vorliegend streitgegenständliche Abrechnung zu stornieren und korrigierte Entlassungs- und Rechnungsdaten zuzusenden, weil der Versicherte zum Zeitpunkt der Behandlung noch keine 60 Jahre alt gewesen sei.
Die Beklagte lehnte eine Neuabrechnung mit E-Mail vom 16. Dezember 2015 mit der Begründung ab, dass das BSG mit Urteil vom 18. Juli 2013 - B 3 KR 22/12 R - (SozR 4-2500 § 276 Nr. 2) entschieden habe, dass Nachforderungen von Krankenhäusern bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen (Nachforderung von mehr als 5 % des Ursprungsbetrages und mindestens 100,00 bzw. 300,00 Euro) unabhängig von der Verjährungsfrist nur bis zum Schluss des nächsten Haushaltsjahres möglich seien, und dass dies entsprechend auch umgekehrt bei Rückforderungen der Kostenträger gelte.
Am 23. Dezember 2015 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Hamburg erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Differenz zwischen der abgerechneten Fallpauschale DRG K44Z und der ohne Kodierung des OPS 8-550.1 bei im Übrigen unveränderter Kodierung angesteuerten Fallpauschale DRG K60B (Diabetes mellitus mit komplizierenden Diagnosen oder äußerst schweren CC oder schwere Ernährungsstörungen, ohne multimodale Komplexbehandlung bei Diabetes mellitus) in Höhe von 2236,60 Euro nebst Zinsen begehrt. Insoweit stehe ihr ein öffentlich-rechtlich Erstattungsanspruch zu, da sie aufgrund der fehlerhaften Abrechnung der Beklagten die Zahlung der Behandlungskosten ohne Rechtsgrund geleistet habe. Der OPS 8-550 habe nicht kodiert werden dürfen, weil der zum Zeitpunkt der Behandlung 55 Jahre alte Versicherte schon aufgrund se...