Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung des sozialversicherungsfreien Werkstudenten vom versicherungspflichtigen Beschäftigten
Orientierungssatz
1. Das sog. Werkstudentenprivileg und die damit verbundene Befreiung von der Entrichtung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gilt für denjenigen nicht, dessen Studium mit dem Ziel eines Abschlusses nicht mehr im Vordergrund steht. Das gilt auch für den Studenten, der zwar formell noch eingeschrieben ist, der aber das Studium nicht mehr ernsthaft betreibt und den letzten Leistungsnachweis vor mehreren Jahren erbracht hat. Das gilt auch bei einem sog. Studenten, dessen wöchentliche Arbeitszeit auf 20 Stunden begrenzt ist.
2. Die Beurteilung der Versicherungspflicht eines Beschäftigten richtet sich allein nach den objektiven Verhältnissen, auch dann, wenn er an einer Universität immatrikuliert ist. Maßgeblich ist das objektive Erscheinungsbild, ob er danach überwiegend als Student oder als Arbeitnehmer anzusehen ist.
3. Wird ein Abschluss des Studiums nicht oder nicht mehr angestrebt, so führt allein die Aufrechterhaltung der Einschreibung nicht zu einer längeren Inanspruchnahme des Werkstundenprivilegs.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Teilurteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. August 2006 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beigeladene zu 1. im Zeitraum 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2002 bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin sozialversicherungspflichtig beschäftigt war und die Klägerin daher Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 9.567,19 Euro zu zahlen hat.
Die Klägerin ist die Schwester und Alleinerbin der am XXX 1952 geborenen und während des Berufungsverfahrens am XXX 2008 verstorbenen U.K ... Diese betrieb als Erbin des Vorbesitzers T.-P. D. seit 14. März 2000 eine Weinstube. Die Beigeladenen zu 1. und 2. waren dort seit 1985 bzw. seit 1988 als Kellner mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von maximal 20 Stunden beschäftigt. Beide waren im gesamten streitigen Zeitraum als Studierende immatrikuliert. Der Beigeladene zu 1. hatte den Magisterstudiengang Deutsche Sprache/Literatur belegt; das Wintersemester 1998/1999 war sein 31. Fachsemester. Der Beigeladene zu 2. war im Magisterstudiengang Philosophie eingeschrieben; das Wintersemester 1998/1999 war sein 25. Fachsemester. Sozialversicherungsbeiträge wurden für beide nicht abgeführt.
Im Rahmen der Schlussbesprechung einer am 11. September 2003 durchgeführten Betriebsprüfung wies die Beklagte darauf hin, dass bei den Beigeladenen zu 1. und 2. wegen ihrer ungewöhnlich langen Studiendauer die Studenteneigenschaft und damit die Versicherungsfreiheit zu verneinen sei. Es bestehe die widerlegbare Vermutung, dass bei einer Studienzeit bis zu 25 Fachsemestern Versicherungsfreiheit bestehe, ab dem 26. Fachsemester sei die Studenteneigenschaft glaubhaft zu machen. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin machte demgegenüber geltend, ihr Betrieb beschäftige im Wesentlichen Studenten und geringfügig Beschäftigte. Frühere Prüfungen hätten zu keinen Beanstandungen geführt, obwohl die Beigeladenen zu 1. und 2. sich auch in diesen Zeiträumen schon in höheren Semestern befunden hätten. Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger hätten sich zwar auf eine 25-Semester-Regelung geeinigt, die aber erst am 11. Oktober 2002, als die die Beigeladenen zu 1. und 2. schon nicht mehr versicherungsfrei beschäftigt gewesen seien, veröffentlicht worden sei. Sie berufe sich daher auf Vertrauensschutz, zumal die Beklagte durch Druckschriften wie z.B. SUMMA SUMMARUM (Heft 4/2003) über die Versicherungsfreiheit von Studenten informiert habe. Auf diese Informationen habe sie sich verlassen. Mit Bescheid vom 29. Januar 2004 setzte die Beklagte eine Gesamtsozialversicherungsbeitragsnachforderung in Höhe von 21.009,27 Euro fest, wovon 9.567,19 Euro auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. entfallen. Zur Begründung führte sie aus, mit den Beigeladenen zu 1. und 2. bestünden sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Aufgrund des Lebensalters und der langen Studiendauer stehe bei den Beigeladenen zu 1. und 2. das Studium nicht mehr im Vordergrund. Der Nachweis, dass die lange Studienzeit erforderlich gewesen sei, sei trotz Gewährung einer Vorlagefrist nicht erbracht worden. Verwaltungshandlungen, die bei der Arbeitgeberin einen Vertrauenstatbestand hätten hervorrufen können, seien nicht erkennbar.
Ihren gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch begründete die Rechtsvorgängerin der Klägerin damit, dass sie die Immatrikulationsbescheinigungen der Beigeladenen zu 1. und 2. regelmäßig überprüft und die wöchentliche Arbeitszeit auf 20 Stunden begrenzt habe. Sie sei weder verpflichtet noch in der Lage gewesen zu überprüfen, ob bei ihren Arbeitnehmern das Studium im Vordergrund stehe, ob die w...