Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenkasse. Verstoß gegen haushaltsrechtliche Ausschreibungspflicht. aufsichtsrechtliche Anordnung. keine umgehende Kündigung des unter diesem Verstoß geschlossenen Vertrages
Leitsatz (amtlich)
Der Verstoß allein gegen die haushaltsrechtliche Ausschreibungspflicht rechtfertigt nicht die aufsichtsrechtliche Anordnung, den unter diesem Verstoß geschlossenen Vertrag umgehend zu kündigen.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 14. März 2011 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Im Streit ist die Rechtmäßigkeit eines aufsichtsrechtlichen Verpflichtungsbescheides.
Die klagende SECURVITA BKK ist eine bundesunmittelbare und für Betriebsfremde geöffnete Betriebskrankenkasse mit Sitz in H.. Sie geht als Betriebskrankenkasse zurück auf die S. Gesellschaft zur Entwicklung alternativer Versicherungskonzepte mbH (im Folgenden: S. GmbH), die Teil der 1984 von Herrn T.M. gegründeten Unternehmensgruppe S. ist. Die S. GmbH, deren Alleingesellschafter und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer T.M. war und ist, ist das Satzungs- bzw. Trägerunternehmen der 1996 gegründeten Klägerin, deren Verwaltungsratsvorsitzender T.M. auch war und ist. Mit der S. GmbH schloss die Klägerin eine Reihe von Verträge; fünf davon sind Streitgegenstand in den Senatsverfahren L 1 KR 47/11 KL bis L 1 KR 51/11 KL.
Im Jahr 1994 meldete T.M. das Zeichen “S.„, im Jahr 1997 die S. GmbH die - graphisch veränderte - Marke “S.„ und im Jahr 2002 die S. GmbH die - erneut graphisch veränderte - Marke “S.„ beim Deutschen Patentamt an und wurden Zeichen und Marken jeweils eingetragen. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1996 erklärte T.M. als Geschäftsführer der S. GmbH und der S. Versicherungsmakler GmbH gegenüber der Beklagten, dass die Klägerin - vereinigte SECURVITA BKK - auf Dauer und unwiderruflich das Recht zur Nutzung des Namens “S.„ erhalte.
Die Klägerin schloss am 1. Juli 1999 mit der S. GmbH einen Vertrag über die Bereitstellung und Pflege eines Internet-Servers zwecks Hosting der Domain “www. S..de„ für die Klägerin durch die S. GmbH (im Folgenden: Vertrag “Internet-Server„). Die Preise betrugen ohne Mehrwertsteuer:
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- Einrichtungspauschale (einmalig) |
150 DM, |
- Basis-Bereitstellungsgebühr (monatlich) |
120 DM, |
- Festplattenspeicher (je 10 MB monatlich) |
20 DM, |
- Datentransfervolumen je angefangene 100 MB |
25 DM, |
- Aktualisierung der Web-Seiten (je Arbeitsstunde). |
75 DM. |
Nach Angaben der Klägerin wandte sie im Jahr 2010 einen Betrag in Höhe von 34.015 EUR für die Durchführung dieses Vertrags auf; im Jahr 2011 seien keine Kosten entstanden, für das Jahr 2012 seien keine geplant. Nach Auskunft der Klägerin würden die Leistungen des Vertrags aber nach wie vor in Anspruch genommen, Zahlungsansprüche seien von der S. GmbH seit 2011 bis heute jedoch nicht mehr geltend gemacht worden.
Die Aufsichtsprüfung der Beklagten bei der Klägerin, inwieweit - in diesem und in anderen Fällen - bei der Auftragsvergabe an die S. GmbH den vergaberechtlichen Bestimmungen entsprochen wurde, endete mit der Feststellung einer Rechtsverletzung durch Verstoß gegen das Vergaberecht und mündete in die Einleitung aufsichtsrechtlicher Maßnahmen nach § 89 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) hinsichtlich der fünf in den Senatsverfahren L 1 KR 47/11 KL bis L 1 KR 51/11 KL streitbefangenen Verträge mit dem Ziel, die Behebung der Rechtsverletzung durch umgehende Beendigung der unter Verstoß gegen das Vergaberecht zustande gekommenen Verträge zu erreichen.
Mit aufsichtsrechtlichem Beratungsschreiben der Beklagten nach § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IV vom 16. November 2010 wies diese die Klägerin darauf hin, dass sie bei der Auftragsvergabe den vergaberechtlichen Bestimmungen nicht Rechnung getragen und damit das Recht verletzt habe. Die Beklagte forderte die Klägerin auf, den rechtswidrigen Zustand durch umgehende Beendigung des Vertrags zu beseitigen und die Beklagte über alle künftigen Verträge mit der S. GmbH vor Vertragsabschluss zu informieren. Die Klägerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 3. Dezember 2010.
Mit Antwortschreiben vom 3. Dezember 2010 nahm die Klägerin - zu diesem Beratungsschreiben und zu den in den weiteren vier parallel gelagerten Aufsichtsprüfungen - Stellung. Sie zeigte sich zunächst verwundert, dass der Vertrag zum wiederholten Male zum Gegenstand einer aufsichtsrechtlichen Beratung gemacht werde, obwohl anlässlich früherer Prüfungen nach § 274 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) die Angelegenheit von der Beklagten als erledigt angesehen worden sei. Von einer Aufhebung des Vertrags sei keine Rede gewesen. Sodann vertrat die Klägerin die Auffassung, eine Ausschreibungspflicht nach der Verordnung über das Haushaltswesen in der Sozialversicherung (SVHV) habe nicht bestanden. Einer Ausschreibungspflicht nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SVHV stünden schon markenrechtliche Gründe entgegen, nach denen die Klägerin sich bei der Vergabe von Dienstleistu...