Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Sachleistungsanspruch. operative Straffung der Bauchhaut. keine modifizierten Maßstäbe für Prüfung und Bewertung einer Entstellung als regelwidriger körperlicher Zustand
Leitsatz (amtlich)
1. Zum Anspruch auf Versorgung mit einer operativen Straffung der Bauchhaut im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.
2. Auch nach einer vom Krankenversicherungsträger gewährten Magen-OP gelten für die Prüfung und Bewertung einer Entstellung keine modifizierten Maßstäbe; die körperliche Auffälligkeit muss in einer Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen, quasi „im Vorbeigehen“ bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt (vgl BSG vom 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 R = BSGE 100,119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14).
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 30. Juni 2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin eine operative Straffung der Bauchhaut zu gewähren hat.
Die … 1961 geborene Klägerin stellte am 12. Dezember 2012 einen entsprechenden Antrag auf Kostenübernahme. Zur Begründung führte sie aus, nach einer Schlauchmagen-OP seit Januar 2012 54 kg abgenommen zu haben. Trotz sportlicher Aktivitäten habe keine Straffung im Bauchbereich erreicht werden können. Es müsse sehr auf die Bauchfaltenpflege geachtet werden, um nicht wund zu werden, wobei sie sich auf der Arbeit viel bewege und öfter schwitze.
Einem daraufhin eingeholten Befundbericht des Sana Hanse-Klinikums A-Stadt vom 25. Januar 2013 ist zu entnehmen, dass die Klägerin ausgehend von einem Ausgangsgewicht von 134,2 kg durch konservative Maßnahmen bis Oktober 2011 knapp 15 kg abgenommen hatte und dann eine bariatrische OP durchgeführt worden war. Im Januar 2013 habe die Klägerin nur noch 83 kg gewogen, was einem Gewichtsverlust von 52 kg entspreche. Bei einem nun erreichten BMI von 28 mache die überschüssige Haut doch erheblich zu schaffen, zumal die Klägerin im Pflegebereich schwere körperliche Arbeit verrichte. Im Pflegebereich sei die Arbeit straff organisiert, sodass wenig Zeit für die eigenen körperlichen Belange bleibe und intertriginös ließen sich die Hautpartien bei ständigem Schwitzen nur schwer pflegen, sodass hier schon aus rein gesundheitlichen Gründen eine plastische OP indiziert sei. Auch sei bei zunehmendem multiresistentem Keimspektrum im Bereich der Pflegeheime eine gesunde Haut für die eigene Immunabwehr unabdingbar.
Seitens des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein wurde am 3. Januar 2013 ebenfalls eine Kostenübernahme bezüglich einer Abdominolipektomie empfohlen. Darüber hinaus wurde eine Fotodokumentation beigezogen.
In einem von der Beklagten veranlassten sozialmedizinischen Gutachten des MDK führte Dr. B. am 11. April 2013 aus, dass unter Wertung der vorliegenden Fotodokumentation festzustellen sei, dass eine Funktionsbehinderung durch die bestehenden Hautfettgewebsüberschüsse nicht vorliege und auch keine entstellende Wirkung entsprechend der Rechtsprechung gegeben sei. Chronisch-rezidivierende therapierefraktäre intertriginöse Ekzeme lägen ebenfalls nicht vor. Die zweifelsohne bestehende Ekzemneigung werde mittels sorgfältiger Hautpflege selbstständig beherrscht. Dermatologische Behandlungen seien bislang nicht durchgeführt worden. Somit sei eine Fettschürzen-OP medizinisch nicht indiziert. Neben der Fortführung der sorgfältigen Hautpflege sei gegebenenfalls das Tragen eines Stützmieders zu empfehlen.
Mit Bescheid vom 17. April 2013 lehnte die Beklagte daraufhin die begehrte Kostenübernahme ab.
Im am 3. Mai 2013 erhobenen Widerspruch wurde dargestellt, dass die Bauchfaltenpflege sehr aufwendig sei und bei einer körperlich schweren Arbeit das Tragen eines Mieders nicht möglich sei. Es bestehe das Problem, dass die Haut und Falten sehr stark juckten. Auch gehe das körperliche Aussehen „nicht spurlos an einem vorbei“.
In einem weiteren sozialmedizinischen Gutachten vom 27. August 2013 führte die Ärztin M. aus, dass ein krankhafter Befund erforderlich sei. Die zweifellos vorliegenden Hautfettgewebsüberschüsse seien jedoch nicht so stark ausgeprägt, dass die Klägerin in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt sei. Die Hautsituation werde durch eine konstante Hautpflege beherrscht ohne eine begleitende fachärztliche Mitbehandlung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2013 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass keine medizinische Indikation für die geplante Straffung der Bauchhaut bestehe.
Am 5. November 2013 ist Klage vor dem Sozialgericht (SG) Schwerin erhoben worden. Trotz der Befürwortung einer Bauchhautstraffung durch zwei Kliniken sei der Antrag ablehnend beschieden worden. Der Klägerin sei es während der anstrengenden Arbeitstätigkeit auch nicht möglich, die Hautfalten zu reinigen, sodass immer wieder In...