Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. organisatorischer Verantwortungsbereich der Schule. Tätlichkeit eines Mitschülers im Schulraum außerhalb des Schulunterrichts. anschließender privater Musikunterricht in der Schule
Orientierungssatz
Ein Schüler, der nach Beendigung des lehrplanmäßigen Unterrichts mit anderen Instrumentalschülern in seinem Klassenraum auf den Beginn seines privaten Musikunterrichts wartete und von einem seiner Mitschüler verletzt wird, steht mangels Vorliegens des schulischen Verantwortungsbereichs nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 23. September 2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen eines Schulunfalles im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung streitig.
Der am 23. Januar 2002 geborene Kläger besuchte im März 2014 die 7. Klasse der E. Internationale Schule A-Stadt. Die Schule ist ein staatlich anerkanntes Gymnasium in privater Trägerschaft. Das monatliche Schulgeld dieser Schule betrug im Jahre 2014 für diese Klasse 200,00 €. Der damals 12-jährige Kläger war seit dem 5. Schuljahr Mitglied der Bläsergruppe seiner Schule, die von dem Zeugen M. S., einem staatlich geprüften Musiklehrer, betreut wurde. Der Zeuge S. wurde u. a. stundenweise als Honorarkraft für die Erteilung von Musikunterricht durch die Schule damals beschäftigt. Am 22. September 2014 wartete der Kläger nach dem Ende des Lehrplanunterrichts ab 15:00 Uhr gemeinsam mit anderen Instrumentalschülern in seinem Klassenzimmer auf den Beginn seines Klarinettenunterrichts um 16:00 Uhr. Anwesend waren drei weitere Mitschüler seiner Klasse 7 b, die ebenfalls durch den Instrumentallehrer, den Zeugen S., jeweils zu zweit Unterricht im Umfang von einer halben Stunde erhielten. Um 16:00 Uhr sollte der Unterricht des Klägers und eines Mitschülers bei dem Zeugen S. beginnen. Laut Angaben des Klägers malte ein Mitschüler mit Kreide Bilder von Genitalien an die Tafel und bewarf ihn, nachdem er ihn aufgefordert hatte, dies zu unterlassen, mit Kreide. Anschließend bewarfen sich die Mitschüler gegenseitig mit Kreide, wobei es schließlich zu einer Rauferei kam, in dessen Verlauf der Kläger ins Gesicht geschlagen wurde. Der Kläger absolvierte noch den Instrumentalunterricht und wurde später, nachdem er zuhause gewesen war, zusammen mit seinem Vater in der Universitätsklinik A-Stadt gegen 18:45 Uhr am selben Tag vorstellig. Als Erstdiagnose wurde dort eine Schädelprellung, ein Hämatom an der Stirn, eine Zahnfraktur „Schneidezahn rechts“ sowie eine Nasenprellung gestellt. Der Kläger befand sich bis zum 24. September 2014 zur „neurologischen Kurzzeitüberwachung“ dort in der kinderchirurgischen Abteilung der Universitätsklinik A-Stadt, aus der er dann mit Wohlbefinden entlassen wurde. Ab dem 30. September 2014 nahm der Kläger wieder am Unterricht teil.
Die Beklagte wurde durch den Durchgangsarztbericht der genannten Klinik vom 26. September 2014 über den genannten Vorgang in Kenntnis gesetzt. Die Beklagte zog zunächst medizinische Unterlagen von den den Kläger behandelnden Ärzten bei und veranlasste eine Unfallanzeige der Schule. Hierin gab die Schulleiterin, die Zeugin K. D., u. a. an, der Kläger sei von einem Mitschüler mit drei Faustschlägen im Gesicht ca. gegen 15:45 am 22. September 2014 verletzt worden. Auf Anfrage der Beklagten hinsichtlich weiterer Einzelheiten zu dem Geschehen teilte dann die Zeugin D. unter dem 7. November 2014 der Beklagten weiter mit, man sei am 23. September 2014 durch die Eltern des Klägers über das Geschehen informiert worden. Diese Auseinandersetzung habe weit nach Unterrichtsschluss und vor Beginn von privatem Musikunterricht stattgefunden. Keiner der Beteiligten sei für eines der nachmittäglichen schulischen Betreuungsangebote angemeldet worden und habe auch keines der freiwilligen und offenen Angebote wahrgenommen. Da für den Heimweg der Schüler keine Aufsichtspflicht seitens der Schule bestehe, gebe es niemand aus den Reihen der Mitarbeiter, der zum Unfallhergang selbst eine Aussage treffen könnte.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 3. Februar 2015 die Anerkennung des Ereignisses vom 22. September 2014 als Versicherungsfall bzw. Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Leistungen könnten daher nicht erbracht werden. Zur Begründung hieß es, der Kläger sei bei einer Auseinandersetzung mit einem Mitschüler verletzt worden, diese Auseinandersetzung habe weit nach Unterrichtschluss und vor Beginn von privatem Musikunterricht stattgefunden. Keiner der Beteiligten sei für eines der nachmittäglichen schulischen Betreuungsangebote angemeldet gewesen und habe auch keines der freiwilligen, offenen Angebote...