Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Rehabilitierung. rechtsstaatswidrige Verfolgungsmaßnahmen in der DDR. Anerkennung weiterer Schädigungsfolge. Kausalität. Theorie der wesentlichen Bedingung. annähernde Gleichwertigkeit bei mehreren Mitursachen. Überwiegen der übrigen Umstände. Prüfung einer besonderen beruflichen Betroffenheit. Berufsschadensausgleich
Orientierungssatz
1. Haben neben einer Verfolgungsmaßnahme mehrere weitere Umstände zum Eintritt einer Schädigungsfolge (hier: schwere Alkoholerkrankung mit Delirien, Krampfanfällen und einer wahrscheinlich dadurch bedingten Hirnatrophie) beigetragen, ist die Verfolgungsmaßnahme versorgungsrechtlich nur dann im Rechtssinne wesentlich und die Schädigungsfolge der Verfolgungsmaßnahme zuzurechnen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges - verglichen mit den mehreren übrigen Umständen - annähernd gleichwertig ist. Das ist dann der Fall, wenn die Verfolgungsmaßnahme in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen. Im Einzelnen bedarf es dazu der wertenden Abwägung der in Betracht kommenden Bedingungen (vgl hierzu insgesamt BSG vom 16.12.2014 - B 9 V 6/13 R = SozR 4-7945 § 3 Nr 1).
2. Zur Prüfung einer "besonderen beruflichen Betroffenheit" iS des § 30 Abs 2 BVG.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) auf Höherbewertung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) sowie Berufsschadensausgleich.
Der 1957 geborene Kläger schloss am 3. Juli 1976 die Schulzeit an der EOS in G. mit dem Abitur ab. Anschließend war der Kläger als Meliorationsarbeiter tätig und leistete ab November 1976 seinen Wehrdienst ab. Ab Mai 1978 war der Kläger als Kraftfahrer berufstätig und bestand am 28. Februar 1979 die Prüfung zum Facharbeiter als Berufskraftfahrer. Ein im September 1980 aufgenommenes Studium an der Hochschule für Verkehrswesen in D. brach der Kläger aus beruflichen Gründen im November 1980 ab. Die erneute Beschäftigung als Kraftfahrer von Januar bis Dezember 1981 musste der Kläger beenden, da ihm 1982 die Fahrerlaubnis wegen Fahrens mit Alkohol entzogen wurde. Es folgten dann Beschäftigungen von Januar 1982 bis März 1984 als Disponent im VEB Maschinenbauhandel D., von April 1984 bis Dezember 1985 als Planungsbearbeiter und Sachbearbeiter im VEB Metallmöbel F-Stadt sowie ab Januar 1986 als Angebotsingenieur im VEB Aufzugs- und Fahrtreppenbau (ab Januar 1991 B.-Firma) in F-Stadt. Nebenberuflich studierte der Kläger von September 1983 an der Ingenieurschule für Schwermaschinenbau in R.. Das Studium schloss er am 21. Juli 1988 in der Fachrichtung Förder- und Baumaschinen als Maschineningenieur erfolgreich ab. Das Beschäftigungsverhältnis bei B.-Firma endete durch betriebsbedingte Kündigung am 31. Dezember 1991. Nach anschließender Arbeitslosigkeit von Januar bis Oktober 1992 war der Kläger zunächst im Rahmen einer ABM von November 1992 bis Oktober 1993 sowie nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit erneut von Oktober 1994 bis Februar 1996 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität F-Stadt (FU) erwerbstätig und veröffentlichte diverse Publikationen im Rahmen der Aufarbeitung der SED-Diktatur. Parallel studierte er an der FHTW F-Stadt Wirtschaftswissenschaften. Nach erneuter Arbeitslosigkeit von Februar bis Oktober 1996 war der Kläger seitdem bis Mai 2006 als selbstständiger Publizist tätig. Zudem war er von Februar 1997 bis 2003 als Berater in einem Bürgerbüro zur Aufarbeitung von Folgeschäden der SED-Diktatur beschäftigt, wo er als Mitautor eine Forschungsschrift über die Haftzwangsarbeit politischer Gefangener des SED-Staates erarbeitete. Ab Oktober 1998 absolvierte er ein Promotionsstudium im Fach Soziologie an der FU F-Stadt, das er am 8. Juli 2003 mit der Promotion zum Doktor der Philosophie abschloss. Nach Feststellung einer Adenokarzinomerkrankung des Magens am 27. September 2004 wurde dem Kläger ab 1. April 2005 aufgrund eines Leistungsfalls am 27. September 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zunächst befristet und ab 1. Dezember 2011 auf unbestimmte Dauer gewährt.
Dem Kläger bescheinigte das Sächsische Landesamt für Familie und Soziales mit Bescheid vom 12. September 2002, dass die Verhinderung eines Hochschulstudiums 1976 durch den Direktor der Wilhelm-Pieck-Oberschule G. rechtsstaatswidrig gewesen sei, er als Schüler von Verfolgungsmaßnahmen betroffen und die Ausbildung vom 1. September 1976 bis 31. August 1980 verfolgungsbedingt unterbrochen gewesen sei. Der Kläger habe 1976 als Oberschüler die Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssiche...