Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Bestandskraft eines früheren Prüfbescheides. Erhebung einer weiteren Beitragsnachforderung für die gleichen Personen und (zumindest teilweise) gleichen Zeiträume. keine Identität der Feststellungsgegenstände. Vertrauensschutz. Verjährung. Bösgläubigkeit. bedingter Vorsatz
Orientierungssatz
1. Aus der Bestandskraft früherer Beitragsnachforderungsbescheide folgt grundsätzlich keine Bindungswirkung, sodass es auch nicht ihrer Aufhebung nach §§ 44 ff SGB 10 vor Erlass späterer Bescheide bedarf (vgl BSG vom 18.11.2015 - B 12 R 7/14 R = juris RdNr 17 ff). Das BSG hat in seiner bisherigen Rechtsprechung wiederholt ausgeführt, dass sich eine materielle Bindungswirkung lediglich insoweit ergeben könnte, als Versicherungs- und/oder Beitragspflicht (und Beitragshöhe) in der Vergangenheit im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderten Verwaltungsakt festgestellt wurden. Der bisherigen Rechtsprechung des BSG (vgl BSG vom 30.10.2013 - B 12 AL 2/11 R = BSGE 115, 1 = SozR 4-2400 § 27 Nr 5) ist jedoch nicht zu entnehmen, dass bei Erlass eines personenbezogenen Beitragsbescheides damit zugleich (spiegelbildlich bzw mittelbar) eine Regelung darüber getroffen wird, dass „im Übrigen“, dh insbesondere hinsichtlich aller sonstigen Beschäftigten, die von der personenbezogenen Beitragsfestsetzung nicht betroffen sind, im Prüfzeitraum „alles in Ordnung“ sei, dass also hinsichtlich dieser zB keine Versicherungspflicht bzw kein Beitragsanspruch besteht (vgl BSG vom 18.11.2015 - B 12 R 7/14 R aaO).
2. Auch soweit hinsichtlich zwei der „betroffenen“ Mitarbeiter bei beiden Betriebsprüfungen Deckungsgleichheit besteht, steht diese Tatsache einer weiteren Nachforderung für die gleichen Personen und (zumindest teilweise) gleichen Zeiträume aus dem Grund nicht entgegen, da die Feststellungsgegenstände nicht identisch gewesen sind.
3. Zum Vorliegen von Verjährung bei Bösgläubigkeit.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schwerin vom 6. August 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 13.546,59 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger eine nach einer Betriebsprüfung im Jahr 2010 geltend gemachte Nachforderung von Beiträgen zu den Zweigen der Sozialversicherung für die Zeit von Dezember 2002 bis Dezember 2005 einschließlich Säumniszuschlägen zu leisten hat.
Die Beklagte hatte bei dem Kläger am 7. März 2006 eine Betriebsprüfung durchgeführt, in deren Folge sie mit Bescheid vom 9. März 2006 eine Nachforderung in Höhe von 830,96 Euro geltend machte mit der Begründung, dass bei einer Urlaubsabgeltung eine unzulässige Beitragsbegrenzung vorgenommen, bei der Berechnung der Beiträge zur Krankenversicherung in zwei Fällen unzutreffende Beitragssätze zugrunde gelegt, bei einigen Arbeitnehmern unzutreffend von einer geringfügigen Beschäftigung ausgegangen und in einigen Fällen die besonderen Vorschriften der Gleitzonenberechnung unzutreffend angewandt worden seien. Betroffen waren seinerzeit die Mitarbeiter Hannelore B., Katrin G. (keine Beitragsberechnung in der Gleitzone), Steffi B., Irina P. (falscher Beitragssatz zur KV), Stefanie K., Matthias D., Almut Z. und Susann B. Gegen Ende des Bescheides hieß es unter der Überschrift „Lohnsteueraußenprüfung“, dass sich nach §§ 14 und 17 SGB IV i. V. m. § 1 ArEV die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt grundsätzlich nach dem Steuerrecht richte. Im Prüfzeitraum habe keine Lohnsteueraußenprüfung stattgefunden. Sofern bis zur nächsten Prüfung nach § 28p SGB IV Prüfungen der Finanzverwaltung erfolgten, werde gebeten, die Prüfberichte/Bescheide über diese Prüfungen unmittelbar nach dem Eingang sozialversicherungsrechtlich auszuwerten. Bei Fragen hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Auswertung werde gebeten, sich mit der zuständigen Einzugsstelle in Verbindung zu setzen.
In der Zeit vom 30. März bis 10. April 2006 wurde bei dem Kläger dann eine Lohnsteuer-Außenprüfung bezogen auf den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 durchgeführt und mit Bescheid vom 16. Juni 2006 festgestellt, dass wegen kostengünstiger Überlassung firmeneigener Wohnungen (als steuerpflichtiger Sachbezug) und überzahlter Sonntagszuschläge ein Betrag in Höhe von insgesamt 17.658,02 Euro nachzuversteuern sei.
Auf einen Einspruch des Klägers hin verringerte die Finanzverwaltung mit Haftungsbescheid vom 25. Januar 2007 den Haftungsbetrag um 1.814,60 Euro, wobei nunmehr eine Monatskaltmiete von 400 Euro (statt zuvor 450 Euro) in Ansatz gebracht wurde. Mit Schreiben vom 21. Februar 2007 erklärte der Kläger daraufhin das dortige Einspruchsverfahren für erledigt.
Nach einer erneuten, in der Zeit vom 11. März bis zum 24. Juni 2010 durchgeführten Betriebsprüfung gemäß § 28p Abs. 1 SGB IV machte d...