Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuerkennung des Merkzeichens G im Schwerbehindertenrecht unter Berücksichtigung eines erheblichen Übergewichts

 

Orientierungssatz

1. Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens G hat gemäß § 152 Abs. 4 SGB 9 derjenige Schwerbehinderte, dessen sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule mit einem GdB von 50 bewertet sind, wenn er eine ortsübliche Wegstrecke von ca. 2 km nicht mehr in einer halben Stunde zurücklegen kann.

2. Dabei hat auch ein erhebliches Übergewicht einen Bezug zu einer Behinderung. Dieses ist infolgedessen bei der Beurteilung des Gehvermögens zu berücksichtigen (BSG Urteil vom 24. 4. 2008, B 9/9a SB 7/06 R). Hierzu zählt u. a. ein Körpergewicht von 133 kg bei einer Körpergröße von 1,62 m .

3. Wird eine Wegefähigkeit ausgehend von 800 m binnen 15 Minuten hochgerechnet, so kann der Schwerbehinderte eine Wegstrecke von 2 km binnen ca. 40 Minuten bewältigen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.01.2021; Aktenzeichen B 9 SB 32/20 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stralsund vom 18. August 2015 wird zurückgewiesen.

Für das Berufungsverfahren sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten noch, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens „G“ weiterhin gegeben sind.

Gegenüber der am ... Juli 1987 geborenen Klägerin war in der Vergangenheit durch das Versorgungsamt D-Stadt wegen einer entzündlich rheumatischen Erkrankung der Gelenke (Einzel-GdB 70) und einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 20) ein Gesamt-GdB von 70 anerkannt und das Merkzeichen „G“ zuerkannt worden.

Im Juli 2011 wurde seitens des Beklagten ein Überprüfungsverfahren eingeleitet. In einem Kurzarztbrief des Universitätsklinikum D-Stadt vom 4. Februar 2011 war vermerkt worden, dass unter antirheumatischer Basistherapie eine weitgehende Remission bestehe. Gelegentlich würden noch Arthralgien auftreten, jedoch ohne synoviale Schwellungen. Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. V. teilte am 12. Juli 2011 mit, dass im Juni 2010 wegen Kinderwunsches die rheumaspezifischen Therapien geändert worden seien (durch Resochin), wobei eine weitgehende Remission eingetreten sei.

In einer gutachterlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2011 sprach sich Dr. S.-S. für einen Gesamt-GdB von 30 aus unter Berücksichtigung folgender Einzel-GdB:

- entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke (30) und

- Funktionsstörung der Wirbelsäule (20).

Nach Umstellung auf Resochin sei eine weitgehende Remission eingetreten.

Der Beklagte hörte die Klägerin daraufhin am 3. August 2011 zur Herabsetzung des GdB und Entziehung des Merkzeichens „G“ an und stellte dann mit Bescheid vom 6. September 2011 nach § 48 SGB X einen GdB von 30 fest. Die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen „G“ würden nicht mehr vorliegen angesichts eines nicht mehr gegebenen GdB von wenigstens 50.

Hiergegen ist am 6. Oktober 2011 Widerspruch erhoben worden mit der Begründung, dass weiterhin rheumatisch bedingte Beschwerden bestünden sowie weitere Krankheitsbilder wie Hypertonie, Adipositas und Sehbehinderung (Iritis) gegeben seien.

Der Beklagte befragte nochmals die behandelnden Ärzte, wobei seitens des J.-Krankenhauses in D-Stadt von einer ambulanten Behandlung im Rahmen des Notdienstes im Mai 2011 berichtet wurde wegen des Verdachts einer akuten Iritis. Im Rahmen einer Verlaufskontrolle des Universitätsklinikum D-Stadt vom 13. September 2011 wurde wegen noch bestehenden Arthralgien insbesondere im rechten Ellenbogengelenk empfohlen, zusätzlich zum Resochin eine niedrig dosierte Prednison-Dosis einzunehmen. Unter Resochin werde weiterhin eine regelmäßige augenärztliche Kontrolle sowie laborchemische und klinische Kontrollen empfohlen.

Unter Auswertung dieser Befunde befürwortete Dr. S. in einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15. Februar 2012 einen GdB von 30 seit September 2011. Die Sehminderung (Iritis), der medikamentös kompensierbare Bluthochdruck sowie die Adipositas (mit Steatosis hepatis) stellten keine Behinderungen dar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2012 wurde der Widerspruch dann zurückgewiesen.

Am 23. März 2012 ist Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stralsund erhoben worden mit der Begründung, dass die Voraussetzungen für einen GdB von 70 sowie für das Merkzeichen „G“ angesichts weiterhin bestehender Beschwerden nach wie vor gegeben seien.

Das SG hat zunächst Behandlungs- und Befundberichte von Dr. V., Dr. B., Dr. B., Dr. L. und Dr. L. eingeholt. Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. L. hat am 17. Januar 2013 mitgeteilt, dass von ihr keine Rheuma-Medikamente verordnet worden seien. Über eine Einschränkung der Gehstrecke sei nie geklagt worden, wobei es natürlich bei einem Rheumaschub zu Behinderungen der Gehfähigkeit kommen könne. Dr. V. hatte die Klägerin letztmals am 16. Mai 2011 in Bonn behandelt. Facharzt für Augenheilkunde Dr...

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