Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Vermögensberücksichtigung. teils selbst genutztes Hausgrundstück. Miteigentumsanteile am Zweifamilienhaus. Prognoseentscheidung zu den Verwertungsmöglichkeiten im Bewilligungszeitraum
Leitsatz (amtlich)
Die in § 9 Abs 1 SGB II definierte Hilfebedürftigkeit ist zeitlich mit Blick auf die Dauer des Bewilligungszeitraumes zu prüfen, mit der Folge, dass im Rahmen der Vermögensprüfung nach § 12 Abs 1 SGB II festzustellen ist, dass das Vermögen während des laufenden Bewilligungszeitraumes verwertbar ist. Ist dies objektiv nicht der Fall, kommt es nicht darauf an, ob der Hilfebedürftige Verwertungsbemühungen unternommen hat. Vielmehr sind Leistungen nach dem SGB II in Form eines Zuschusses zu gewähren.
Tenor
Auf die Berufung werden das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 3. Dezember 2015 sowie der Bescheid vom 24. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 2014 aufgehoben und der Beklagte dem Grunde nach verpflichtet, den Klägern für den Zeitraum 1. November 2013 bis 30. April 2014 Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der Miteigentumsanteile am Hausgrundstück zu bewilligen.
Der Beklagte trägt 70 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger beider Rechtszüge.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger im Zeitraum 01. November 2013 bis 30. April 2014 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hatten.
Die am 10. März 1961 geborene Klägerin ist die Ehefrau des am 20. November 1961 geborenen Klägers. Beide bewohnen die eine Hälfte eines Zweifamilienhauses in C-Stadt. Die Kläger bewohnen den linken Gebäudeteil mit einer Wohnfläche von 104,43 qm und der Hausnummer 44, während der rechte Gebäudeteil mit einer Wohnfläche von 127,19 qm von der Schwester und der Mutter der Klägerin bewohnt wird. Das Wohnhaus steht auf einem 2056qm großen Grundstück. Eigentümer des Grundstückes sind die Kläger jeweils zu ¼ und die Schwester und die Mutter ebenfalls jeweils zu ¼. Es handelt sich um Miteigentumsanteile ideeller Natur, die nicht auf eine bestimmte Wohnung oder einen bestimmten Teil des Gebäudes oder des Grundstückes beschränkt sind.
Die Kläger bezogen bereits seit dem 01. Januar 2005 - immer wieder mit Unterbrechungen - Leistungen nach dem SGB II beim Beklagten. Bei Erstantragsstellung lebten noch die 2 Söhne der Kläger P. und D. mit im Haushalt der Kläger. Der Sohn D. zog im September 2006 aus dem elterlichen Haushalt aus und der Sohn P. im August 2007. Nach eigenen Angaben zahlen die Kläger an die Mutter der Klägerin eine mtl. Miete i. H. v. 204,52 €. Dies sei damals so geregelt worden, weil die Klägerin zum Zeitpunkt des Erwerbes nicht kreditwürdig gewesen wäre. Dann habe die Mutter den Kredit aufgenommen und dieser werde mtl. mit der Mietzahlung abgetragen. Hierfür reichten die Kläger am 10. September 2006 eine von der Mutter unterschriebene Bestätigung ein. Die Mietzahlungen berücksichtigte der Beklagte während des gesamten Leistungsbezuges nicht, sondern stellte in die Berechnungen zu den Kosten der Unterkunft und Heizung nur die tatsächlichen Hauslasten ein. Auf einen Antrag aus März 2009 nahm der Beklagte erstmals eine Bewertung des Hausgrundstückes nach internen Tabellen vor und lehnte den Antrag mit Bescheid vom 29. April 2009 wegen eines die Freibeträge überschreitenden Vermögens ab. Die Ablehnungsentscheidung wurde nach einem durchlaufenen Überprüfungsverfahren ohne Widerspruch bestandskräftig. Auch den Folgeantrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. Februar 2010 ab. Vor der Ablehnung hatte der Beklagte die Kläger mit Schreiben vom 18. Januar 2010 über die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angemessenen Hausgrößen informiert und zudem darauf hingewiesen, dass unangemessene Grundstücke vor der Inanspruchnahme staatlicher Leistungen zu verwerten seien. Im Rahmen des Antragsverfahrens reichten die Kläger zudem einen auf die Schwester und die Mutter der Klägerin lautenden Darlehensvertrag aus dem Jahre 1996 zur Akte. Aus diesem geht hervor, dass die Schwester und die Mutter ein Darlehen i. H. v. 71.000 DM aufgenommen hatten. Die Kläger waren mit jeweils 120.000,00 DM als Bürgen eingetragen. Zudem wurde ein Kontoauszug eingereicht aus dem hervorgeht, dass das Darlehen am 06. November 2009 noch mit 19.963,33 € valutierte. Gegen den Ablehnungsbescheid legten die Kläger Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2010 unter Verweis auf das die Freibeträge übersteigende Vermögen in Form der Miteigentumsanteile am Zweifamilienhaus als unbegründet zurückwies.
Einen weiteren am 14. Januar 2011 gestellten Leistungsantrag lehnte der Beklagte mit Ablehnungsbescheid vom 15. März 2011 ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06. Mai 2010 als unbegründet zurück.
Einen weiteren am 08. Februar 2013 gestellten Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 19. April 2013 ab. ...