Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsverwaltungsakt. unbefristeter Geltungszeitraum

 

Leitsatz (amtlich)

Die zeitliche Geltung eines Eingliederungsverwaltungsaktes mit "bis auf weiteres" unterliegt keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie entspricht § 15 SGB II in der ab 1.8.2016 geltenden Fassung, welcher für Eingliederungsvereinbarungen nicht mehr einen definierten Zeitraum für die Laufzeit, sondern in Abs 3 S 1 nur noch eine Frist von "spätestens sechs Monaten" für die regelmäßige Überprüfung und Fortschreibung vorsieht (entgegen LSG München vom 8.6.2017 - L 16 AS 291/17 B ER = info also 2018, 39).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 30. Mai 2018 aufgehoben.

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 22. Februar 2018 wird abgelehnt.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die gemäß §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige, insbesondere fristgerecht am 24. März 2017 erhobene Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen vom 30. Mai 2018 ist begründet.

Das SG hat zu Unrecht im Wege des § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakt des Antragsgegners vom 22. Februar 2018 angeordnet.

Bei der erforderlichen Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse des Betroffenen und dem Vollzugsinteresse der Behörde ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit dem in § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vorgesehenen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelnde Verwaltungsakte nach § 15 Abs. 3 S. 1 SGB II in der seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung (vorher: § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II) dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug derartiger Verwaltungsakte gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Adressaten prinzipiell Vorrang eingeräumt hat, und danach die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nur in Betracht kommt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn ausnahmsweise besondere private Interessen überwiegen.

Der vom Antragsgegner am 22. Februar 2018 erlassene Eingliederungsverwaltungsakt stellt sich nach summarischer Prüfung nicht als offensichtlich rechtswidrig dar. Die gesetzlichen Voraussetzungen für den Erlass eines solchen Verwaltungsakts lagen vielmehr vor und auch die darin getroffenen inhaltlichen Regelungen begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Die Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung durch den Eingliederungsverwaltungsakt vom 22. Februar 2018 nach der erforderlichen, bei persönlicher Vorsprache des Antragstellers bei dem Antragsgegner am 30. Januar 2018 durchgeführten Anhörung (und dem folgend die postalische Übersendung des Entwurfes einer Eingliederungsvereinbarung an den Antragsteller zur Prüfung) ist angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung am 22. Februar 2018 ausdrücklich und grundsätzlich abgelehnt hatte, unter Beachtung der einschlägigen Regelung des § 15 Abs. 3 S. 3 SGB II rechtmäßig erfolgt (zu den Voraussetzungen der Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt vgl. Bundessozialgericht ≪BSG≫, Urteil vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 42/15 R). Auch die nach § 15 Abs. 1 S. 1 SGB II vorgesehene Potenzialanalyse wurde vorliegend im Rahmen der persönlichen Vorsprache des Antragstellers am 30. Januar 2018 in hinreichender Weise durchgeführt.

Die in dem streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakt getroffenen inhaltlichen Regelungen begegnen keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie berücksichtigen die Besonderheiten des Einzelfalles des Antragstellers und tragen situationsangemessen dessen Fähigkeiten und seiner besonderen Lebenssituation hinreichend Rechnung (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 23. Juni 2016 - B 14 AS 42/15 R und B 14 AS 30/15 R -, juris). Sie enthalten Bestimmungen darüber, welche Leistungen der Antragsteller zur Eingliederung in Arbeit erhält (u.a. Vermittlungsvorschläge, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen; Beratungsgespräche zur Klärung der individuellen Bedarfslage- “Coaching„), welche Bemühungen er in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen muss (u.a. mindestens fünf schriftliche Bewerbungen pro Monat auf Tätigkeiten im allgemeinen Helferbereich) und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind (durch Vorlage einer Liste über die Eigenbemühungen bis zum Ende des jeweiligen Monats).

Auch die sich aus dem streitgegenständlichen Eingliederungsverwaltungsakt ergebende Festsetzung zu den Eigenbemühungen des Antragstellers, der monatlich fünf Bewerbungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse nachzuweisen hat und die diesbezügli...

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