Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 12. Mai 2022 wird geändert.
Der Bescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2021 und des Teilanerkenntnisses vom 12. Mai 2022 wird aufgehoben, soweit die Erstattungsforderung den Betrag von 802,24 € übersteigt.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Erstattungsforderung des Beklagten und beruft sich auf eine Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Die am 7. Juli 2001 geborene Klägerin bezog im streitbefangenen Bewilligungszeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2019 in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern und Geschwistern vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zugrunde lag ein am 27. Mai 2019 gestellter Weiterbewilligungsantrag des Vaters der Klägerin. Die Leistungen wurden mit Bescheid des Beklagten vom 20. Juni 2019 und Änderungsbescheid vom 20. Juni 2019 vorläufig bewilligt und monatlich im Voraus auf ein Konto des Vaters gezahlt. Am 7. Juli 2019 wurde die Klägerin volljährig.
Nach Feststellung des aus selbständiger Tätigkeit erzielten Einkommens des Vaters entschied der Beklagte abschließend über die Leistungsansprüche und lehnte den Leistungsantrag für den Bewilligungszeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember 2019 wegen Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens ab (Bescheid vom 15. Dezember 2020). Mit dem angefochtenen weiteren Bescheid vom 15. Dezember 2020 forderte der Beklagte die Klägerin zur Erstattung der für sie vorläufig gezahlten Leistungen in Höhe von insgesamt 882,41 € auf, wobei auf Juli 2019 133,66 €, auf August 2019 229,75 € und auf die Monate September bis Dezember 2019 jeweils 129,75 € entfielen.
Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 15. März 2021) hat die Klägerin am 15. April 2021 Klage gegen den Erstattungsbescheid erhoben und u. a. die Einrede der Beschränkung der Minderjährigenhaftung erhoben. Der Beklagte hat im Verhandlungstermin am 12. Mai 2022 auf die Erstattung eines Betrages von 31,19 € verzichtet. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen. Die weitergehende Anfechtungsklage hat das (Sozialgericht) SG mit Urteil vom 12. Mai 2022 abgewiesen und hinsichtlich der im Berufungsverfahren allein noch streitbefangenen Beschränkung der Minderjährigenhaftung ausgeführt, dass der Beklagte diese mit seinem Teilanerkenntnis ausreichend berücksichtigt habe. § 1629a BGB knüpfe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) allein an die Saldierung zwischen der fremdverantworteten Verbindlichkeit und dem Vermögensbestand bei Eintritt der Volljährigkeit an. Daher komme es auf Verbindlichkeiten, die durch die Inanspruchnahme von Leistungen nach Eintritt der Volljährigkeit entstanden seien, nicht an.
Gegen das ihr am 20. Mai 2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 20. Juni 2022 Berufung eingelegt, mit der sie geltend macht, dass im Hinblick auf § 1629a BGB auch die nach Eintritt der Volljährigkeit für sie gezahlten Leistungen von ihr nicht zu erstatten seien, da sie zum Zeitpunkt des der Leistungsgewährung zugrundeliegenden Antrags des Vaters noch minderjährig gewesen sei.
Der Klägerin beantragt,
das Urteil des SG Oldenburg vom 12. Mai 2022 sowie den Bescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2021 und des Teilanerkenntnisses vom 12. Mai 2022 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Klägerin hat auf Aufforderung des Senats einen Kontoauszug ihres Girokontos vorgelegt, welcher für den Tag des Eintritts ihrer Volljährigkeit ein Guthaben von 53,49 € ausweist. Im Übrigen hat die Klägerin in einer Vermögensauskunft erklärt, zu jenem Zeitpunkt über keinerlei Vermögenswerte verfügt zu haben.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Verwaltungs- und Prozessakten verwiesen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG), ist teilweise begründet.
Der angefochtene Erstattungsbescheid des Beklagten vom 15. Dezember 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2021 und des in der mündlichen Verhandlung vor dem SG erklärten Teilanerkenntnisses ist rechtwidrig, soweit die geltend gemachte Erstattungsforderung den Betrag von 802,24 € übersteigt. Die erstinstanzliche Entscheidung ist entsprechend zu korrigieren. Im Übrigen erweist sich die Berufung als unbegründet.
Im Berufungsverfahren im Streit steht nur noch eine Erstattungsforderung in Höhe von 851,22 €, nac...