Entscheidungsstichwort (Thema)
Einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Kosten der Ausübung des Umgangsrechts mit dem getrennt lebenden Kind. Fahrkosten. Kilometerpauschale. vorrangige Beantragung von Prozesskostenhilfe im Familienrechtsstreit für Fahrkosten zur gerichtsnahen Mediation
Leitsatz (amtlich)
1. Benutzt ein SGB II-Leistungsberechtigter bei der Ausübung seines Umgangsrechts zu dem beim getrennt lebenden Elternteil wohnenden Kind den eigenen PKW, kann in Anlehnung an § 3 Abs 7 Alg II-V (juris: AlgIIV 2008) zumindest in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes eine km-Pauschale von 0,10 Euro zugrunde gelegt werden. Die Entscheidung, ob beim Nachweis höherer Kosten entsprechend § 3 Abs 7 S 5 ALG II-V (juris: AlgIIV 2008) anstelle der pauschalen Entschädigung höhere notwendige Ausgaben zu berücksichtigen sind, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
2. Für im Zusammenhang mit einem Mediationsverfahren (hier: gerichtsnahe Mediation) anfallende Fahrtkosten besteht kein Anspruch auf Mehrbedarfs-Leistungen nach § 21 Abs 6 SGB 2.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 9. Februar 2012 wird geändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller vorbehaltlich der Entscheidung in der Hauptsache vorläufig weitere 228,48 Euro auszuzahlen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner erstattet dem Antragsteller 1/5 der notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt die Gewährung weiterer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) im Wege der einstweiligen Anordnung. In der Sache streiten die Beteiligten um die Übernahme von Fahrtkosten für die Ausübung des Umgangsrechts des Antragstellers zu seiner Tochter E., von Kosten für diverse Erstausstattungsgegenstände (u.a. Wickelkommode, Bett, Bettwäsche, Schrank, Geschirr, Hochstuhl, Kinderbadewanne) sowie von Fahrtkosten für Fahrten zum Psychotherapeuten und zu Terminen in einem Mediationsverfahren.
Der 1969 geborene Antragsteller steht im laufenden Bezug von SGB II-Leistungen. Für den Bewilligungszeitraum vom 1. Dezember 2011 bis 31. Mai 2012 gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller unter Anrechung seines Erwerbseinkommens monatliche Leistungen in Höhe von 489,28 bis 655,56 Euro (vgl. im Einzelnen: Bescheide vom 28. März, 8. Mai und 16. Mai 2012). Über diese Bescheide hinaus hat der Senat den Antragsgegner durch einstweilige Anordnung verpflichtet, vorläufig und vorbehaltlich der Entscheidung in der Hauptsache für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 weitere Leistungen in Höhe von 40,-- Euro monatlich und für die Monate Februar bis Mai 2012 weitere Leistungen in Höhe von 128,-- Euro auszuzahlen (Beschluss des Senats vom 28. August 2012 - L 11 AS 241/12 B ER).
Am 20. und 27. Dezember 2011 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner die im vorliegenden Verfahren streitbefangenen SGB II-Leistungen. Zu den Fahrtkosten für die Ausübung des Umgangsrechts mit seiner bei ihrer Mutter lebenden 1,5-jährigen Tochter E. trug er vor, dass er seine Tochter jeweils mit seinem eigenen PKW aus der Wohnung der Mutter abhole und sie anschließend wieder zurückbringe. Dementsprechend müsse die Strecke zwischen eigener Wohnung und Wohnung der Tochter pro Besuchs-/Umgangstag viermal zurück gelegt werde. Für F. Aufenthalt in seiner Wohnung seien eine entsprechende Wohnungs-Erstausstattung (Wickelkommode, Bett, Bettwäsche, Schrank, Geschirr usw.) sowie eine Kindererstausstattung (Hochstuhl, kleine Plastikbadewanne, Wickeleimer usw.) erforderlich. Zusätzlich beantragte der Antragsteller die Übernahme von Fahrtkosten zur Durchführung eines Mediationsverfahrens betreffend das Umgangsrecht mit seiner Tochter G. vor dem Oberlandesgericht (OLG) H. sowie für monatliche Behandlungstermine bei dem ca. 80 km vom Wohnort des Antragstellers praktizierenden Psychotherapeuten Dr. I..
Der Antragsgegner lehnte diese Anträge mit zwei Bescheiden vom 22. Dezember 2011 und drei Bescheiden vom 5. Januar 2012 ab. Der Antragsteller hat am 19. Dezember 2011 beim Sozialgericht (SG) Hannover um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Gegen die unter dem 22. und 23. Februar 2012 ergangenen fünf Widerspruchsbescheide hat er Klage vor dem SG erhoben, über die - soweit ersichtlich - bislang nicht entschieden worden ist (S 80 AS 949/12).
Das SG hat den Eilantrag mit der Begründung abgelehnt, dass der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Zwar komme für die Wahrnehmung des Umgangsrechts grundsätzlich die Übernahme der notwendigen Fahrtkosten in Betracht (0,10 Euro pro km bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs). Allerdings habe der Antragsteller nicht dargelegt, dass das wöchentliche Abholen seiner Tochter E. der Umgangsvereinbarung der Kindeseltern entspreche. Ebenso wenig habe er dargelegt, weshalb das Umgangsrecht nicht am Wohnort des Kindes anstatt in der Wohnung des Antragstellers a...