RECHTSKRAFT: nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstliche Befruchtung. homologe Insemination. heterologe Insemination. Ehe. Familie. Lebensgemeinschaft. nichteheliche Lebensgemeinschaft. verschiedengeschlechtliche Gemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Die Partnerin einer verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft hat keinen Anspruch nach § 27 a Abs. 1 SGB V auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit dem Samen ihres Lebenspartners.
2. Die Beschränkung des Leistungsanspruches auf die homologe Insemination zwischen Ehegatten verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 iVm Art. 6 Abs. 1 GG. Denn nur die Ehe, nicht aber die nichteheliche Lebensgemeinschaft steht unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.7.2002 – 1 BvF 1, 2/01 – in BVerfGE 105, 313, 342 ff.)
Normenkette
SGB V § 27a; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Hannover (Entscheidung vom 23.04.2002; Aktenzeichen S 44 KR 1796/01) |
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Leistungen zur künstlichen Befruchtung.
Die im November 1968 geborene Klägerin erkundigte sich bereits im April 2001 bei der Beklagten über die Möglichkeiten einer Behandlung mittels intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI). Die Behandlung sollte mit dem Samen ihres Lebensgefährten D., der an einer hochgradigen Oligo-Astheno-Teratoospermie (OAT-Syndrom) litt, erfolgen. Die Beklagte teilte seinerzeit mit, dass eine Kostenübernahme nicht erfolgen könne, sagte allerdings eine erneute Überprüfung des Sachverhaltes unter Auswertung der erwarteten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu. Im Juni/Juli 2001 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Kostenübernahme für die geplante weitere ICSI-Behandlung schon deshalb nicht in Betracht komme, weil nach den gesetzlichen Bestimmungen eine solche Behandlung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenkassen nur bei Ehepaaren vorgesehen sei.
Mit Schreiben vom 1. August 2001 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten in Höhe von ca. 7.000,– DM für die im Juli 2001 begonnene ICSI-Behandlung unter Vorlage einer Bescheinigung ihres Gynäkologen Dr. E.. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 8. August 2001 unter Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen ab.
Mit ihrem am 6. September 2001 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die gesetzliche Regelung, auf die die Beklagte ihre Entscheidung stütze, verfassungswidrig sei, weil sie die nichteheliche Lebensgemeinschaft gegenüber den ehelichen Lebensgemeinschaften in unzulässiger Weise benachteilige. Gleichzeitig teilte die Klägerin mit, dass die erste ICSI-Behandlung fehlgeschlagen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 25. Oktober 2001 zurück.
Gegen diesen ihr am 27. Oktober 2001 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 23. November 2001 Klage erhoben und auf die aus ihrer Sicht gegebene Verfassungswidrigkeit der einschlägigen Bestimmungen hingewiesen. Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Klage durch Urteil vom 23. April 2002 abgewiesen. Leistungen zur künstlichen Befruchtung könnten nach § 27 a Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – (SGB V) nur bei einer homologen Insemination, das heißt bei Verwendung von Ei und Samenzellen von Ehepaaren, gewährt werden. Diese Vorschrift verstoße nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere sei das aus Artikel (Art.) 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) folgende Gleichbehandlungsgebot nicht verletzt. Für die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen Ehepaaren und nichtehelichen Lebensgemeinschaften gebe es sachliche Gründe. Art. 6 Abs. 1 GG stellten Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Hinzu komme, dass dem Gesetzgeber bei der Gewährung von Vergünstigungen ein weiter Spielraum offen stehe. Die Klägerin habe daher keinen Anspruch auf die von ihr begehrte Kostenerstattung.
Die Klägerin hat gegen dieses ihren Bevollmächtigten am 11. Juni 2002 zugestellte Urteil am 5. Juli 2002 Berufung eingelegt. Sie hält die Beschränkung der Gewährung von Leistungen für eine künstliche Befruchtung auf Ehepaare für verfassungswidrig. Ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen Ehepaaren und nicht verheirateten Lebenspartnern sei nicht gegeben.
Die Klägerin beantragt,
- das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. April 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2001 zu ändern;
- die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die bereits erfolgte und die zukünftig anfallenden ICSI-Behandlungen zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges der Beklagten Bezug genommen.
Ents...