Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Kostenrecht. Pauschgebührenpflicht. Pauschgebührenfreiheit. Fälligkeit in 2005. SGB 2-Leistungsträger. kommunaler Leistungsträger. Sozialhilfeträger. Befreiung

 

Leitsatz (amtlich)

SGB II-Leistungsträger unterliegen für bis zum 31. Juli 2006 abgeschlossene gerichtliche Verfahren der Pauschgebührenpflicht nach § 184 SGG. Dies gilt auch für kommunale SGB II-Leistungsträger, die - außer für Leistungen nach dem SGB II - auch für Sozialhilfeleistungen zuständig sind.

Die Befreiung von der Pauschgebührenpflicht gem. § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X (i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl I S. 1706) gilt erst für nach dem 31. Juli 2006 abgeschlossene Gerichtsverfahren.

 

Tenor

Die Erinnerung gegen den Auszug aus dem Verzeichnis der Streitsachengebühren vom 17.Januar2006(L 5696-3222) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Festsetzung einer Pauschgebühr gem. § 184 Sozialgerichtsgesetz (SGG) für das Beschwerdeverfahren L 8 AS 369/05 ER, in dem es um Ansprüche des Herrn B. C. auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ging. Dieses Verfahren endete mit Beschluss des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 2. November 2005.

Gegen die Feststellung der Pauschgebühr in Höhe von 112,50 €(Auszug aus dem Verzeichnis der Streitsachengebühren vom 17. Januar 2006) richtet sich die am 17. Februar 2006 eingelegte Erinnerung.

Der Erinnerungsführer ist der Auffassung, als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende von den Gerichtskosten befreit zu sein (§ 64 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in der ab 1. August 2006 geltenden Fassung). Auch wenn diese Gesetzesänderung erst nach Erlass des angefochtenen Auszugs aus dem Verzeichnis der Streitsachengebühren in Kraft getreten sei, erfasse sie nach den Grundsätzen des intertemporalen Verfahrensrechts den vorliegenden Fall. Zudem sei § 64 Abs. 3 SGB X auch in seiner alten Fassung im Sinne einer Kostenbefreiung des Erinnerungsführers auszulegen: Zwar seien nach dem Wortlaut des § 64 Abs. 3 SGB X a.F. nur die Träger der Sozialhilfe (und nicht die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende) von der Pauschgebührenpflicht befreit gewesen. Allerdings sei es in dem Beschwerdeverfahren L 8 AS 369/05 ER um Kosten der Unterkunft gegangen, somit um Aufgaben, die auch nach Inkrafttreten des SGB II vom Sozialhilfeträger wahrgenommen würden. Lediglich für die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende habe seit 2005 eine Regelungslücke bestanden, die der Gesetzgeber zum 1. August 2006 im Wege der Klarstellung geschlossen habe. Diese Gesetzesänderung habe nur die bereits zuvor bestehende Grundhaltung des Gesetzgebers reproduziert (Gerichtskostenfreiheit für die Leistungsträger nach dem SGB XII, SGB II und nach dem AsylbLG).

Der Erinnerungsgegner ist dagegen der Auffassung, dass § 64 Abs. 3 SGB X a.F. - entsprechend seinem Wortlaut - Gerichtskostenfreiheit nur für die Träger der Sozialhilfe, nicht dagegen für die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende vorsehe. Eine Änderung der Rechtslage sei erst zum 1.August 2006 in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt sei die Pauschgebühr für das Beschwerdeverfahren L 8 AS 369/05 ER jedoch bereits entstanden und fällig gewesen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen, sondern sie dem erkennenden Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Erinnerung ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Auszug aus dem Verzeichnis der Streitsachengebühren vom 17.Januar 2006 erweist sich als rechtmäßig.

Die Verpflichtung des Erinnerungsführers zur Zahlung der Pauschgebühr für das Beschwerdeverfahren L 8 AS 369/05 ER ergibt sich aus § 184 SGG. Danach hat eine Behörde in einem gegen sie geführten sozialgerichtlichen Verfahren unabhängig vom Ausgang des Verfahrens eine Pauschgebühr zu entrichten, wenn der Prozessgegner zum kostenrechtlich privilegierten Personenkreis nach § 183 SGG gehört (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit der Pauschgebühr nach § 184 SGG: BVerfG, Beschluss vom 01. Juli 1987 - 1 BvL 21/82, NVwZ 1988, 345; BSG, Beschluss vom12. Februar 2004 - B12 P 2/03 R).

Der Erinnerungsführer genießt auch keine Gerichtskostenfreiheit nach § 64 Abs. 3 SGB X.

Zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Pauschgebühr im November 2005 (Abschluss des Beschwerdeverfahrens L 8 AS 369/05 ER, vgl. § 185 SGG) genossen nur die Träger der Sozialhilfe, nicht dagegen SGB II-Leistungsträger Gerichtskostenfreiheit (§ 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung).

Entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers ergibt sich auch aus einer Auslegung des § 64 Abs. 3 SGB X a.F. kein Anspruch auf Befreiung von der Pauschgebührenpflicht. So sind SGB II-Leistungsträger vom Wortlaut des § 64 Abs. 3 SGB X a.F. unzweifelhaft nicht erfasst. Auch aus der Gesetzeshistorie ergeben sich keine Argumente für eine Pauschgebührenfreiheit des...

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