Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgeld. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. digitale Endgeräte für Schüler
Leitsatz (amtlich)
1. Aus § 21 Abs 6 SGB II in der bis zum 31.12.2020 geltenden Fassung folgt kein Anspruch von Schülern auf Zuschüsse für digitale Endgeräte (PC, Laptop, Tablet). Bei deren Anschaffung handelt es sich um einmalige Bedarfe und nicht um einen laufenden Bedarf. Für eine analoge Anwendung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
2. Eine flächendeckende zuschussweise Versorgung von Schülern mit Computern ist im SGB II nicht vorgesehen, wäre systemwidrig und würde Familien mit Einkommen knapp oberhalb der Bedürftigkeitsgrenzen benachteiligen.
3. Die Deckung von Bedarfen für den Schulunterricht, die der Durchführung des Unterrichts selbst dienen, liegt in der Verantwortung der Schulbehörden und darf von Schulen oder Schulträgern nicht auf das Grundsicherungssystem abgewälzt werden.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den ihren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg 18. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.
Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes (erneut) die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zur Anschaffung eines „digitalen Endgerätes“ (Personalcomputer - PC - / Laptop / Tablet) sowie eines Druckers nebst weiteren Zubehörs (Betriebssystem / Microsoft Office-Programme). Sie macht insoweit einen Mehrbedarf nach dem SGB II geltend.
Die am 26. Februar 2002 geborene (volljährige) Antragstellerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (LSL) nach dem SGB II. Sie lebt mit ihrer Mutter und 2 Geschwistern in einem Haushalt und bildet mit diesen eine Bedarfs- bzw. Haushaltsgemeinschaft (vgl. Weiterbewilligungsantrag - WBA - vom 31. Januar 2020, Bd. I Blatt 683 des Ausdrucks der elektronischen Verwaltungsakte des Antragsgegners - eVA -, Bescheid über die vorläufige Bewilligung von LSL für die Zeit von Februar bis Juli 2020 vom 12. Februar 2020, Bd I Blatt 710 eVA, Änderungsbescheide vom 20. April, 7. Mai, 28. Mai 2020, Bd. II Blatt 891, 927, 947 eVA; anschließend - ohne Antrag unter Hinweis auf § 67 SGB II - vorläufige Bewilligung durch Bescheid vom 14. Juni 2020 für den Zeitraum August 2020 bis Januar 2021, Bd. II Blatt 964 eVA).
Die Antragstellerin besucht seit dem Schuljahr 2019/2020 die Berufsbildenden Schulen III in Lüneburg und absolviert dort voraussichtlich bis Juli 2021 die 2-jährige Berufsfachschule Sozialpädagogik (vgl. Zusage vom 3. April 2019). Zuvor hatte sie die Berufseinstiegsklasse - Schwerpunkt Körperpflege - an den Berufsbildenden Schulen II (F. -Schule) in Lüneburg besucht (vgl. Schulbescheinigung vom 17. August 2018). Sie erhält Leistungen für Bildung und Teilhabe (BuT, vgl. Antrag vom 10. August 2018 für den Besuch der BBS II).
Mit Schreiben vom 31. März 2020 (übermittelt per Fax am 9. April 2020, Bd I Bl. 748, 746 eVA) beantragte die Antragstellerin einen internetfähigen Computer mit Tintenstrahldrucker, Kabel nebst Kosten für die Erstinbetriebnahme und Software von Microsoft Office. Zur Begründung gab sie an, dass im Haushalt kein Computer vorhanden sei und schulische Angebote oftmals im Internet abgerufen werden müssten. Die Anschaffung sei notwendig, um am Schulunterricht problemlos teilzunehmen. Die Sicherstellung der Teilnahme am Unterricht in der Corona-Pandemie erfordere die Nutzung eines internetfähigen Computers. Die Kosten für die Anschaffung fielen zwar nur einmalig an, würden aber einen laufenden Bedarf erfüllen und seien in entsprechender Anwendung von § 21 Abs. 6 SGB II als Zuschuss zu erbringen (u.a. Hinweis auf LSG Niedersachsen Bremen, Urteil vom 11. Dezember 2017 - L 11 AS 349/17 - Anm. zu Schulbüchern und Taschenrechnern).
Der Antragsgegner lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20. April 2020 ab (Bd. II Blatt 900 eVA). Die begehrte Sonderleistung sei durch den gewährten Regelbedarf abgedeckt und stelle keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes dar. Den am 22. April 2020 anwaltlich erhobenen Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2020 (W-554/20, Bd. III Blatt 3 eVA) zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass der Antragstellerin für die begehrte Anschaffung eines PC keine Anspruchsgrundlage im SGB II zur Seite stehe. Mittel für die Anschaffung eines Computers seien in der Schulbedarfspauschale nach § 28 Abs. 3 SGB II enthalten, darüberhinausgehende Ansprüche bestünden nicht. Die Schulpauschale sei auch für digitale Schulausstattung bestimmt. Die Aufstockung dieser Pauschale sei unter anderem mit einer wirtschaftlichen Stärkung der Schülerinnen und Schüler aufgrund der zunehmend weiteren Digitalisierung in den Schulen begründet worden. Es handele sich auch nicht um einen unabwei...