Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Angemessenheit von Heizkosten. Fehlen eines schlüssigen Konzepts in Walsrode. Anwendung des bundesweiten Heizspiegels. Ausgehen von der tatsächlichen Wohnfläche, wenn diese niedriger ist als die höchstens angemessene
Leitsatz (amtlich)
1. Das von der Stadt Heilbronn entworfene Berechnungsprogramm Heikos 2.0 ist kein kommunaler Heizspiegel für die Stadt Walsrode und ansonsten zur Bestimmung von angemessenen Heizkosten im Sinne des § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 untauglich.
2. Bei der Anwendung des bundesweiten Heizspiegels ist die (niedrigere) tatsächliche Wohnfläche und nicht die nach den landesrechtlichen Bauförderungsrichtlinien maximal förderungsfähige zugrunde zu legen.
Normenkette
SGB II § 22 Abs. 1 S. 1, § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, § 27 Nr. 1; SGB III § 330 Abs. 3 S. 1; SGB X § 48 Abs. 1 S. 1; HeizkostenV § 9 Abs. 2, § 9b Abs. 2; WoFG § 10 Abs. 1; WoBindG § 5 Abs. 2
Tenor
Der Beklagte erstattet dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten war die Übernahme einer Nachzahlung für die Heiz- und Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2008 streitig. Nach Erledigung der Hauptsache ist nunmehr auf Antrag des Klägers über die Kosten zu entscheiden.
Der 1979 geborene Kläger steht im laufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten. Er bewohnt in einem mit einer Gesamtfläche von 431,33 qm großen Gebäude in D. eine Wohnung im Erdgeschoss Mitte bestehend aus 1 Zimmer, Küche, Flur, Bad und WC mit einer Wohnfläche von 36,29 qm. Er zahlt monatlich eine Miete von 162,00 €, einen Nebenkostenabschlag von 57,38 € sowie einen Heizkostenabschlag von 56,00 €. Die Wohnung wird mit einer Gaszentralheizung beheizt.
Im Dezember 2009 legte der Kläger die Betriebskostenabrechnung des Vermieters vom 24. September 2009 für das Jahr 2008 mit einer Nachzahlung in Höhe von 360,62 € vor. Danach verbrauchte der Kläger 2008 insgesamt Heizkosten einschließlich Warmwasserkosten und Gebühren/Nebenkosten in Höhe von 739,62 €. An Nebenkosten waren 621,00 € angefallen. Der Nachzahlungsbetrag ergab sich aus den auf den Kläger umlegbaren Kosten in Höhe von 1.360,62 € abzüglich der Vorauszahlung in Höhe von 1.044,00 €.
Mit Bescheid vom 9. Juli 2010 lehnte der Beklagte die Übernahme der Nachforderung ab und verlangte vom Kläger im Wege eines Widerrufes gemäß § 47 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Erstattung eines Heiz- und Nebenkostenguthabens in Höhe von 4,99 €. Dabei legte er für die Heizkosten eine Obergrenze von 1,10 € pro qm (x 36,29 qm x 12 Monate = 479,03 €) zugrunde. Durch Widerspruchsbescheid vom 31. August 2010 half der Beklagte teilweise ab, forderte den Betrag von 4,99 € nicht mehr zurück, gewährte stattdessen eine Nachzahlung in Höhe von 97,26 € und wies im Übrigen den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Beklagte erkannte nunmehr angemessene Heizkosten nach Abzug der Warmwasserpauschale für das gesamte Jahr 2008 in Höhe von 586,01 € an, zog die gewährten Abschläge in Höhe von 416,46 € ab und verrechnete die Differenz von 169,55 € mit der Überzahlung bei den Nebenkosten in Höhe von 760,56 €, so dass sich ein Nachzahlungsbetrag zugunsten des Klägers in Höhe von 97,26 € ergab.
Mit der am 27. September 2010 erhobenen Klage hat der Kläger im Antrag eine Nachzahlung von 219,36 € bzw. in der Begründung in Höhe von 149,94 € geltend gemacht. Nach dem bundesweiten Heizspiegel seien angemessene Heizkosten von 677,10 € (37 qm x 18,30 €) zugrunde zulegen. Ausweislich der Heizkostenabrechnung seien bei ihm nach Abzug des Warmwasseranteils reine Heizkosten von 636,66 € angefallen. Sein Heizkostenverbrauch für das Jahr 2008 liege deshalb unter den Werten des bundesweiten Heizkostenspiegels.
Demgegenüber hat der Beklagte geltend gemacht, nicht der bundesweite Heizspiegel, sondern das von der Stadt Heilbronn entwickelte Berechnungsprogramm Heikos 2.0 sei heranzuziehen. Zum einen sei der Urheber des bundesweiten Heizspiegels der Auffassung, dass der bundesweite Heizspiegel zur Beurteilung der Angemessenheit von Heizkosten von Arbeitslosengeld II-Empfängern ungeeignet sei. Zum zweiten schließe das BSG die Anwendung anderer Berechnungsprogramme nicht aus. Nach der Bedienungsanleitung der Stadt Heilbronn für das Berechnungssystem Heikos 2.0 berücksichtige das Programm folgende Faktoren: Baulicher Zustand, Alter, Größe und Wärmedämmung der Unterkunft, Art der Energiequelle, individuelle Energiepreise, klimatische Bedingungen, Wirkungsgrad der Heizungsanlage und persönliche Bedürfnisse des Hilfebedürftigen.
Die Forschungsstelle für Energiewirtschaft eV in München habe den durchschnittlichen Heizwärmebedarf in Westdeutschland nach Gebäudealter und Gebäudetyp (spezifischer Wärmeverbrauch) sowie Jahresnutzungsgrade und Heizsysteme in deutschen Haushalten ermittelt. Dabei würden bestimmten Baualtersklassen und Gebäudetypen bestimmte Dämmwerte zu...