Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Pflegequalität. Streit über die Ergebnisse der Qualitätsprüfung. einstweiliger Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung. Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA). Auslegungsfähigkeit. Transparenzbericht. Vorgaben von § 115 Abs 1a S 1 SGB 11
Leitsatz (amtlich)
Die Pflegetransparenz-Vereinbarung ambulant (PTVA) sowie die dazu ergangenen Anlagen sind auslegungsfähig.
Der Transparenzbericht muss den Vorgaben von § 115 Abs 1a S 1 SGB 11 entsprechen, dh für die Pflegebedürftigen und Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar sein.
Orientierungssatz
Zum Anspruch des Betreibers eines Pflegedienstes auf vorläufige Unterlassung der Veröffentlichung eines Transparenzberichtes nach § 115 Abs 1a SGB 11 im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichtes Bremen vom 2. Dezember 2010 abgeändert. Die Antragsgegner werden bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens im Wege einstweiliger Anordnung vorläufig verpflichtet, die Veröffentlichung des Transparenzberichtes zu den Ergebnissen der Qualitätsprüfung vom 19. April 2010 über den ambulanten Pflegedienst der Antragstellerin im Internet oder in sonstiger Weise sowie dessen Freigabe an Dritte zum Zweck der Veröffentlichung zu unterlassen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Antragsgegner tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Der Streitwert wird auf 5.000 EURO festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die Veröffentlichung des Transparenzberichtes über die Antragstellerin am 03. August 2010.
Die Antragstellerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst für Leistungen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Im April 2010 beschäftigte sie 17 Personen, die 92 Patienten betreuten. Davon erhielten 13 Patienten ausschließlich Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung, 28 Patienten sowohl Leistungen der gesetzlichen Pflege-, als auch der gesetzlichen Krankenversicherung und der überwiegende Teil der Patienten wurde anderweitig versorgt.
Am 19. April 2010 führte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bremen bei der Antragstellerin eine sogenannte Qualitätsprüfung durch. Gegenstand waren die Aufzeichnungen der Antragstellerin über - vom MDK ausgewählte - 5 Pflege-Patienten und deren Inaugenscheinnahme und Befragung. Der mit Datum vom selben Tage erstellte Qualitätsprüfungsbericht wurde der Antragstellerin am 11. Mai 2010 mit der Möglichkeit zur Stellungnahme bis 09. Juni 2010 übersandt. Am 11. Mai 2010 übersandten die Antragsgegner auf elektronischem Weg außerdem den vorläufigen Transparenzbericht, der auf der Grundlage des Qualitätsberichtes erstellt wurde. Er enthielt folgende Bewertungen:
Qualitätsbereich 1 (pflegerische Leistungen): 4,0 (ausreichend)
Qualitätsbereich 2 (ärztlich verordnete Leistungen): 3,2 (befriedigend)
Qualitätsbereich 3 (Dienstleistung und Organisation): 1,3 (sehr gut)
Gesamtergebnis: 2,5 (befriedigend)
Qualitätsbereich 4 (Befragung der Bewohner): 1,0 (sehr gut)
Dem Bericht war weiter zu entnehmen, dass 5 befragte Kunden Grundlage der Erhebung gewesen seien. Im Folgenden wurden für den Qualitätsbereich 1 17 unterschiedliche Fragen wiedergegeben, die zum Teil mit einer Note bewertet wurden, soweit das jeweilige Kriterium auf zumindest einen der überprüften Pflegebedürftigen Anwendung gefunden hatte. Im Qualitätsbereich 2 wurden 10 Fragen formuliert und zum Teil mit Einzelnoten bewertet. Der Qualitätsbereich 3 umfasste 10 Fragen, wobei für jede Frage eine Einzelnote ausgeworfen wurde. Auch die Befragung der Kunden, deren Bewertung laut Erläuterung im Transparenzbericht nicht in die Gesamtnote einfloss, umfasste 12 Fragen, von denen 10 mit Einzelnoten bewertet wurden. Im Weiteren befanden sich Erläuterungen zum Bewertungssystem des Transparenzberichtes, außerdem wurde erläutert, dass Grundlage des Transparenzberichtes eine Qualitätsprüfung durch den MDK war. Die Antragstellerin erhob während der ihr eingeräumten Anhörungsfrist in mehrfacher Hinsicht Kritik an dem vorläufigen Transparenzbericht. Insbesondere sei ein privatversicherter Pflegebedürftiger in die Prüfung mit einbezogen worden, der keine Sachleistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung beziehe.
Am 20. Juli 2010 erließen die Antragsgegner einen sogenannten Maßnahmebescheid (gemäß § 115 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - gesetzliche Pflegeversicherung - SGB XI). Darin wurde unter anderem vermerkt, dass zukünftig die Aussagen des Expertenstandards zu den Themen "Kontinenzförderung und chronische Wunden" berücksichtigt werden sollten. Die Bereiche "Schmerzeinschätzung", "Beratung" und "Prophylaxe bei Sturz und Kontrakturen" seien verbesserungsfähig. Um eine qualitativ gleichbleibende Pflege gewährleisten zu können, sollten die Leistungen zur Körperpflege und die individuellen Bedürfnisse aussagekräftiger dokumentiert werden. Die festgestellten Qualitätsmängel sei...